28.06.2014 Workshop mit Reitsimulator "Sir Humphrey"

bei Jenny Neuhauser in Zürich

Gestatten: Sir Humphrey
Gestatten: Sir Humphrey

Jenny (s. auch www.jennyneuhauser.ch oder www.reitsimulator.ch), mit der ich schon Lehrgänge zur Sitzschulung in Verbindung mit Alexander Technik organisiert habe, hat sich in England etwas Tolles gekauft: einen Reitsimulator. Soweit, so gut. So etwas kannte ich schon aus diversen Berichten von Pferdezeitschriften. Was diesen Simulator so besonders macht: er kann nicht nur Schritt, Trab, Links- und Rechtsgalopp in jeweils zwei verschiedenen Tempi, sondern auch Rückwärtsrichten, Schulterherein, Schenkelweichen, fliegende Galoppwechsel, Piaffe, Passage und Galopppirouetten -> das Dressurmodell. Also war klar: da muß ich mal hin und probereiten. :-)

 

Unter meinen Teilnehmern der Sitzschulungslehrgänge herrschte ebenfalls reges Interesse und so fuhren wir gemeinsam nach Zürich in die Büroräumlichkeiten des Technoparks, wo Sir Humphrey seinen Stall ;-), ergo: sein Büro hat. Zusammen mit Jenny hatte ich den Workshop so geplant, daß zunächst eine kurze Einführungsrunde und "Vorreiten" durch Jenny erfolgt und sodann jeder Teilnehmer eine 45-minütige Sitzschulung auf Sir Humphrey erhält. Die anderen Teilnehmer können zuschauen, was auch immer sehr interessant war.

Die Workshop-Gruppe
Die Workshop-Gruppe

Sir Humphrey hat ca. 1,60 m Stockmaß, man erklettert ihn über eine Aufstiegshilfe. Sehr löblich. :-) Er ist lackschwarz (ich mußte sofort an ein eigentlich hochqualifiziertes, aber meistens nur durchs Viereck strampelndes Wunderpferd denken), hat echtes Mähnen- und Schweifhaar. Direkt vor dem Simulator befindet sich auf Augenhöhe des Reiters ein großer Flachbildfernsehr, der im Grundprogramm das Pferd von oben und die sich überall am Pferd befindlichen Sensoren anzeigt: am Maul (den Zügelzug erkennt man durch aufleuchtende Balken links und rechts des Kopfes), am Hals und in der Schenkellage (jeweils grün aufleuchtend, sofern angesprochen) und im Sattel (ein roter Punkt, der lustig hin- und herhüpft und dem eigenen Gewicht folgt, wenn man nicht ruhig und zentriert sitzt).

Übersicht über die Funktionen und Sensoren
Übersicht über die Funktionen und Sensoren

Jeder erhält von Jenny zu Anfang seiner Einheit eine kurze Einfühlungsrunde in allen Gangarten und Tempi. Die Lektionen müssen erritten werden, funktionieren also nicht auf Knopfdruck. Auch fehlt - natürlich - die eigentliche Vorwärtsbewegung.

Gerret auf dem Schwarzen
Gerret auf dem Schwarzen
Sehr praktisch: Jenny kann auch während des Reitens Hand anlegen
Sehr praktisch: Jenny kann auch während des Reitens Hand anlegen

Ich erklimme also Sir Humphrey und nehme im Dressursattel Platz. Fühlt sich recht echt an. Den Zügel lasse ich erst einmal auf dem Widerrist liegen und fühle mich in die von Jenny per Knopfdruck hervorgerufenen Gangarten und Tempi ein. Schwer zu sitzen ist das Pferdchen - auch im Mitteltrab - nicht. Jenny fragt nach meinen Wünschen: ich möchte gerne die Galoppbewegung spüren lernen, habe ich doch noch immer größte Probleme zu erfühlen, ob mein Pferdchen zu Hause im Hand- oder Außengalopp anspringt, und ich will nicht immer runterschauen müssen, was der Balance auf dem Pferd nicht dienlich ist. Gesagt, getan: ich nehme die Zügel auf und Sir Humphrey galoppiert, springt auf Knopfdruck auch einen Fliegenden. Herrlich! Ich genieße zunächst einmal nur das Gefühl und habe schon das erste Aha-Erlebnis: wie unanstrengend kann Galopp sein, wenn man einfach "nur" sitzt und das Pferdchen galöppelt und galöppelt und galöppelt...! Beim Galoppwechsel kippt Sir Humphrey recht deutlich in die neue Bewegungsrichtung. So kann ich den Galopp sehr einfach erkennen und versuche auch gleich, das Gefühl nachhaltig im Hinterkopf abzuspeichern. Ob mir das Abrufen zu Hause auf Amor aber auch so gelingt, wage ich ein wenig zu bezweifeln, denn der kippt nicht so immens in eine Richtung, wie der Schwarze unter mir in Zürich.

Jaaaaa, ich spüre was!!! :-)
Jaaaaa, ich spüre was!!! :-)

Dann legt Jenny Hand an: ich muß meine Fußgelenke viel mehr entspannen, zumal hier ja von nirgends Gefahr droht, daß ich runterpurzle. Wieder ein Punkt für den Reitsimulator: man kann sich wirklich komplett angstfrei ins Reitgefühl einfinden. Und: wo sonst kann ein Reitlehrer in Schritt, Trab und Galopp direkt neben mir Hand an jede Körperstelle von mir legen, um mich auf Verspannungen oder Unregelmäßigkeiten hinzuweisen?

Jenny erklärt...
Jenny erklärt...

Anschließend gehen wir noch zu den Paraden über. Ich habe meine liebe Not mit Sir Humphrey, denn ein reines Durchparieren am Sitz ist auf ihm nicht möglich, man muß schon die Zügel einsetzen und hierbei muß ich einerseits viel mehr "Kraft" aufwenden, als ich das zu Hause von Amor gewohnt wäre. Andererseits muß ich mich erst einfummeln, wieviel Kraft da denn nötig ist. Und *schwupp* würge ich das arme schwarze Pferd doch tatsächlich dreimal hintereinander so deutlich ab, daß er stotternd wie ein Auto stehenbleibt und damit großes Gelächter unter uns allen hervorruft. *rotwerd* Wie peinlich... Nach ein paar Versuchen bekomme ich es dann doch leidlich hin. Das hat Potential für das nächste Mal.

 

So geht meine Reiteinheit recht schnell vorüber und ich bin überrascht, wie schnell 45 Minuten um sind. Jeder wird hiernach von Jenny gefragt, ob er noch Fragen hat oder sonst etwas ausprobieren möchte: klaro, ich will mal piaffieren! ;-) Und tappe völlig unbewußt und die Falle, die doch eigentlich nur Greenhorns treffen sollte. Es sah ja soooo leicht aus, als Jenny das kurz zu Anfang alles vorritt... Jenny erklärt, daß es zunächst einfacher sei, eine Passage herauszureiten, und ich lege los. Tja, einen einzigen winzigen Passagetritt bekomme ich hin, dann ist Schluß und Sir Humphrey trabt schwungvoll seines Weges, während ich mehrmals Schulterherein mit Schenkelweichen oder sonstwas mixe - aber eine Passage kommt nicht mehr heraus. Sooooo einfach ist das also auch auf dem Simulator nicht.

...und erklärt... ;-)
...und erklärt... ;-)

Nach und nach kommen alle Teilnehmer an die Reihe, und es ist wirklich sehr interessant bei jedem zuzuschauen, denn jeder hat andere Wünsche und andere Problemfelder. Man kann viel mitnehmen, auch nur durchs Zuschauen.

...und erklärt... :-)
...und erklärt... :-)

Auch Workshop-Teilnehmerin Monika hat einen kurzen Abriß ihrer Eindrücke zusammengefaßt und mir erlaubt, es hier zu veröffentlichen:

Korrekturen während des Reitens
Korrekturen während des Reitens

"Sytse hat frei und ich reite fremd. ER sieht meinem Friesenpony auf den ersten Blick gar nicht so unähnlich: schwarz, ca. 1,60 groß, relativ schmal gebaut, hohe Aufrichtung. Spätestens auf den zweiten Blick fallen dann aber doch ein paar Unterschiede auf: So ist die Mähne bedeutend dichter, länger und hängt nach rechts statt nach links; auch sind seine Bewegungen fließender, regelmäßiger, der Galopp sauber durchgesprungen und nicht hinten falsch. Bei diesem Pferd funktioniert wirklich alles wie auf Knopfdruck --- bzw. nein, im Grunde funktioniert es AUF Knopfdruck: Sir Humphrey ist nämlich ein Reitsimulator, der erste in der Schweiz, Modell Dressur. Er „lebt“ im Technopark in Zürich in einem Büro im zweiten Stock - und genau dorthin hat es mich sowie sechs andere für einen Workshop mit Jenny Neuhauser verschlagen. Der Workshop dauert einen Tag – und wir alle bekommen je 45 Minuten lang eine individuelle Sitzschulung auf Sir Humphrey. Als ich die Ausschreibung für den Workshop gesehen hatte, habe ich mich natürlich sofort angemeldet. Mich interessierte das Konzept Reitsimulator – und ich war gespannt darauf, wie sich auf einem motorisierten und dadurch völlig regelmäßig gehenden „Pferd" die eigene Schiefe anfühlt bzw. wie man dort dagegen arbeiten konnte. Außerdem war ich ziemlich sicher, dass ich von Jenny auch noch ein paar generelle Tipps mitnehmen könnte.


Es ist dann in der Tat schon sehr lehrreich, am Vormittag bei den Unterrichtseinheiten der anderen ReiterInnen zuzusehen; ich reite dann erst am Nachmittag. Jenny lässt uns alle zuerst einmal Sir Humphreys Bewegungsrepertoire erfühlen. Er kann Schritt, Trab und Galopp (links und rechts) in je zwei Tempi, außerdem Anhalten, Rückwärtsrichten, Piaffe, Passage, Seitengänge und fliegende Wechsel. Danach können wir dann unsere konkreten Wünsche äußern, die von generellen Sitzkorrekturen oder Erfühlen des richtigen Galopps über ein positives Galopperlebnis bis hin zum Reiten von Paraden reichten. Mein Bedürfnis ist, wie schon erwähnt, ebenfalls relativ generell, indem ich in der „optimalen Umgebung“ mal den korrekten Sitz und das Ausgleichen der eigenen Schiefe erleben und erfühlen möchte. Nachdem ich also Sir Humphreys Gänge einmal erfühlt habe, lässt Jenny ihn anhalten, während sie erklärt. Es klingt einleuchtend, dass man eigentlich gar nicht schief sein kann, solange die Ausrichtung nach oben immer korrekt beibehalten wird. Dieses Gefühl soll ich also ausprobieren. Es geht darum, dass der Kopf völlig ausbalanciert auf der Wirbelsäule sitzt, wodurch die Nase etwas nach unten zeigt; das Brustbein ist aufgerichtet, der untere Rücken entspannt und „gesetzt". Ich mag die Vorstellung, dass im Grunde der Reiter die genau gleichen Voraussetzungen erfüllen muss wie das Pferd: eine gesenkte, entspannte „Hinterhand" und die Nase vorwärts/abwärts, sodass der Hals sich längt.


Jenny legt dann mal Hand an bei meiner Schulter und wir stellen fest, dass ich nur schon Mühe habe, den Kopf unabhängig von der Schulter zu drehen. Es klappt dann aber, als ich mich darauf konzentrierte, zuerst die Augen in die gewünschte Richtung zu drehen und danach erst den Kopf folgen zu lassen. Ich werde in Zukunft vermehrt darauf achten. In der Folge geht es dann darum, zuerst im Schritt, dann im Galopp und schließlich auch im Trab die korrekte Haltung mit leichtem vorwärts/abwärts zu erfühlen und auszuprobieren. Es ist schon ziemlich cool und hilfreich, wenn die Reitlehrerin auch im Trab und Galopp direkt am Schüler Hand anlegen, fühlen und korrigieren kann! Ich soll schließlich auch die Zügel in die Hand nehmen und Jenny schaltet die Beinsensoren an, sodass ich „selber reiten" kann. Ich muss zugeben, dass ich das Computerpferd für die Hilfegebung nicht allzu optimal finde – lässt sich diese doch nur begrenzt auf das richtige Leben übertragen. Auch für die Paraden hat man bei Sir Humphrey sehr viel mehr in der Hand, als ich bei einem richtigen Pferd jemals tolerieren würde. (Offenbar haben sich aber die Sensoren im Maul durch den häufigen Gebrauch mittlerweile etwas verändert, sodass Jenny sie nun anders einstellen muss. Ganz so intensiv sollte die Zügeleinwirkung offenbar auch bei dem Reitsimulator nicht sein.) Die einzelnen Gangarten hingegen fühlen sich auf dem Reitsimulator wirklich sehr echt an. (Wann ich wohl das letzte Mal so lange und so bequem galoppiert bin?? Und es ist sehr hilfreich zu sehen, wie das eigene Gewicht sich im Sattel verteilt und in der Bewegung mal mehr und mal weniger im Schwerpunkt bleibt; ausserdem ist es spannend zu beobachten, dass meine Beine auch auf dem sich bewegenden „Pferd" weitgehend passiv bleiben (sonst hätten die Sensoren Kontakt angezeigt), und wie eine konstante Zügelanlehnung auf dem Bildschirm aussieht. Ich versuche, das korrekte Gefühl gut abzuspeichern, um es bei Bedarf als Referenz wieder hervorholen zu können. Einen sehr hilfreichen Tipp, den ich noch mitnehme, ist jener, bei den Paraden vermehrt an „oben" zu denken und auch die Hände tendenziell etwas zu heben, damit der Widerrist Platz hat, nach oben zu kommen. Diese Vorstellung ist sehr hilfreich – gerade für mein Pferd, das da ja gerne mal etwas tief kommt, wenn er sich auch mal wieder aufrollen möchte.


Es war wirklich ein unheimlich lehrreicher und netter Tag! (Sollte das jemand lesen: Danke an alle, die dazu beigetragen haben!  Und es war so nett, euch kennenzulernen! 
) --- Und jetzt möchte ich gleich morgen versuchen, mich auch auf Sytse diesem gleichmäßigen Sitzgefühl auf Sir Humphrey anzunähern. Dazu ist der Reitsimulator wirklich sehr hilfreich – und ich denke, dass ich diese Erfahrung bei Gelegenheit wiederholen sollte."

Monika und Jenny
Monika und Jenny

Am Spätnachmittag/Abend geht die gesamt Workshop-Truppe noch zum um die Ecke befindlichen Asiaten, und auch hier wird noch das ein oder andere Detail des Workshops diskutiert. Es war ein toller Tag mit netten Leuten, einer sehr motivierten Jenny und einem nicht aus der Ruhe und dem Takt zu bringenden Pferdchen. :-)

 

 

 

 

Fazit:

 

Ganz klar: Reiten lernt man auf dem Reitsimulator nicht. Aber er ist ein sehr wirksames und tolles Hilfsmittel, um sich unabhängig vom Pferd ausführlich mit seinem Sitz und den Bewegungsabläufen des Pferdes auseinanderzusetzen. Gerade der Umstand, daß es sich bei Sir Humphrey um das Dressurmodell handelt, läßt doch viele Möglichkeiten offen.

 

Es wird sicherlich noch der ein odere andere Workshop dieser Art folgen. Anläßlich unseres nächsten Sommerurlaubs ist jedenfalls für Gerret und mich schon ein Termin reserviert; Urlaub in Zürich am Zürichsee mit Ausritten auf dem Simulator. :-)

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