05./06.07.2014 - Lehrgang Sitzschulung in Verbindung mit Alexander Technik mit Jenny Neuhauser

Am Putzplatz der Hardt-Ranch
Am Putzplatz der Hardt-Ranch

Am 04.07.2014 packen wir meine beiden Rösser in den Hänger und machen uns mal wieder auf nach Graben-Neudorf zur Hardt-Ranch (s. auch www.hardt-ranch.de), wo am Wochenende – ebenfalls: mal wieder ;-) - ein Lehrgang mit Jenny Neuhauser (s. auch www.jenny-neuhauser.ch oder www.reitsimulator.ch) stattfindet. Das Verladen verläuft problemlos, nur auf der Hinfahrt poltert es hin und wieder einmal im Hänger. Am Kursort angekommen, beziehen Amor und Kurti zwei nebeneinander liegende Boxen, in denen bereits Heu bereitliegt. Gerret und ich haben noch Zeit, gemütlich Getränke, Kaffeemaschine und Wasserkocher im Reiterstüble zu richten, dann geht es Richtung Karlsruher Hauptbahnhof, um Jenny abzuholen. 

 

Wie immer beim Sitzschulungslehrgang in Verbindung mit Alexander Technik erhalten wir drei aktiv Mitreitende und zwei Zuschauer zzgl. Groom Gerret ;-) am Samstag Vormittag eine theoretische Einweisung. Jenny erklärt kurz nochmals die Herkunft der Alexander Technik und ihre Wirkungsweisen, dann geht es thematisch zum diesmaligen Hauptthema weiter: warum ist unser Körper eigentlich genau so und nicht anders aufgebaut/konstruiert? Das ist für mich ein neues und ich finde auch sehr spannendes Thema, habe ich mir darüber doch noch nie wirklich Gedanken gemacht. Gleichzeitig dient dieser Ausflug in unsere Entstehungsgeschichte auch der Bewußtwerdung, warum wir heute – oft genug unbewußt – physisch oder psychisch so reagieren und nicht anders.

 

Jennys Ausführungen beginnen tatsächlich auch ganz am Anfang mit der Entstehung von Einzellern und, sehr wichtig ;-), mit deren Nahrungsaufnahme. Es entwickelte sich ein rudimentärer Verdauungstrakt (O-Ton Jenny: „Vorne rein und hinten raus.“ *gg*). Um die Nahrungsaufnahme zu optimieren, war es nötig, gezielt an die Nahrung heranzukommen, weshalb sich peu à peu eine Wirbelsäule entwickelte, die man mittels seitlicher Schlängelbewegungen zur Fortbewegung nutzen konnte. Noch besser konnte man Nahrung finden, indem man sie sieht, riecht, hört oder schmeckt. So entwickelten sich unsere Sinne, die allesamt am Kopf (einem zentralen Element in der Alexander Technik) mit Augen, Nase, Ohren und Zunge angebracht sind. Hieraus gingen sodann die Fische hervor, die sich später zur Nahrungssuche an Land begaben, was wiederum neue Herausforderungen an die Evolution stellte: es wurden Beine herausgebildet (man denke an Krokodile, die sich nur Fortbewegung vom Boden hochdrücken müssen), die zur besseren Fortbewegung immer länger und wendiger wurden. Hieraus entwickelte der Mensch sodann seinen aufrechten Gang. Im weiteren arbeitete Jenny sodann die muskulären Elemente heraus, die uns einen aufrechten Gang und alle unsere heutigen Bewegungen ermöglichen.

 

Nach diesem Ausflug in unsere Entstehungsgeschichte kamen wir wieder zurück zur Alexander Technik, deren Hauptanliegen es ist, die Wirbelsäule zu stabilisieren, damit sie den Kopf frei und ohne Anstrengung tragen kann. Denn dieser ist aufgrund der dort liegenden Sinne und seiner Eigenschaft als Träger unseres Gehirns immens wichtig – man denke nur z. B. an reflexhafte Bewegungen bei Stürzen, in denen wir – unbewußt – immer versuchen, in erster Linie unseren Kopf zu schützen. Um einen Eindruck zu erhalten, wie man seinen Körper ökonomisch und bewußt nutzt, machen wir diverse Übungen, die sofort beim ein oder anderen nachhaltig Eindruck schinden. Warum benutze ich z. B. beim Aufstehen von einem Stuhl meine Nackenmuskulatur, obwohl das ergonomisch und ökologisch gar nicht notwendig wäre, wenn ich meinen Körper richtig einsetze? So entwickelt sich so manche falsche Haltung – womit wir beim Reiten angekommen wären...

 

Doch zunächst: Essenfassen. Der Pizzaservice bringt uns unsere Verpflegung, und beim Essen entfacht schon die ein oder andere interessante Diskussion. Hiernach geht’s endlich ans Reiten. Ich bin mit Amor als zweite dran, Gerret führt derweil einen etwas sicherlich durch Boxenhaft gelangweilten und dadurch hapsigen Herrn Kurt durch die Halle.

 

1. Einheit – Amor – 45 Minuten

 

Ich soll mich erst einmal auf Amor einfinden, seine Bewegung spüren, nichts tun. Und das ist verdammt schwer: nichts tun! Immer wieder komme ich mit dem Sitz ins Schieben, weil ich meine, daß Amor zügiger laufen sollte. Jenny ermahnt mich ein ums andere Mal, daß Amor Zeit braucht, um seine Füße zu koordinieren und – lange!, keine Trippel- - Schritte zu machen. Wie am Vormittag bereits am Boden geübt, soll ich zum Energieaufbau Einatmen, die Schenkel leicht vom Pferdebauch anheben, sie beim Ausatmen wieder sachte ans Pferd fallen lassen und mir vorstellen, wie die Energie sich nach vorne durchs Pferd entläd – wodurch bei Amor tatsächlich ein besserer Schritt mit längeren – nicht schnelleren!!! - Schritten entsteht. Dabei muß ich immer wieder darauf achten, daß meine Knie locker bleiben, nach vorne/unten sinken, die Fußgelenke locker bleiben und auch mein Gesäß gut im Sattel Platz nimmt. Jenny entgeht nichts; sie muß Röntgenaugen haben. Denn tatsächlich: immer, wenn sie eine Partie meines Körpers verbal anspricht, die ich loslassen soll, kann ich – geübt durchs Yoga – sofort diese Region entspannen. Obwohl ich immer wieder denke: die ist doch schon entspannt...??? Effekt: Amor kaut, wird leicht in der Hand.

 

Was wir in dieser Einheit auch intensiv bearbeiten: das Pferd wird von hinten nach vorne gearbeitet. Und ich habe meinen ersten, tollen Moment: immer, wenn ich Amor durch Ein- und Ausatmen zu mehr Energie verhelfe, wodurch er die Hinterhand besser einsetzt, kippt vorne wie ganz selbstverständlich das Genick ein ums andere Mal ab und Herr Hafi kaut zufrieden auf dem Gebiß. Schöööön! Das läßt sich noch nicht konstant und für mehrere Meter abrufen, aber immerhin: ich konnte das fühlen. :-)

 

Nächster Punkt: das Führen am äußeren Zügel. Jenny entdeckt sofort, wie oft ich meine Hände und insbesondere meine äußere Hand nicht geschlossen halte – etwas, was mir schon oft auf Fotos an mir aufgefallen ist. Hierdurch kann ich keine konstante Verbindung über den äußeren Zügel herstellen. Über Zirkelverkleinern und -vergrößern üben wir dies und immer wieder für ein paar Schritte im Schritt bzw. Tritte im Trab merke ich, wie sich das anfühlen kann, wenn es denn richtig ist. Ich versuche, so viele richtige Gefühle wie möglich abzuspeichern.

 

Damit ist meine erste Einheit schon zu Ende und wir haben 45 Minuten gemütlich Zeit, Herrn Kurt für seine erste eigene Reitstunde zu richten.

 

2. Einheit – Kurti – 30 Minuten

 

So. Kurtis erste richtige Reitstunde. Ich bin gespannt. :-) Ich habe seine beiden Einheiten dieses Wochenende absichtlich so getimt, daß er immer zunächst während Amors Reiteinheit mit Gerret durch die Halle wandern und sich schon einmal die Beine vertreten kann. Hieran folgt nochmals eine kurze Pause für Putzen und Satteln. Ich steige auch immer erst pünktlich zur Reitstunde auf und reite vorher nicht warm, um Kurtis Einheiten für ihn so kurz wie möglich zu halten. Wir werden von Gerret und Amor begleitet. Mein Wunsch: traben – womit sich Kurt unter dem Reiter ja (wie anfangs beim Longieren ohne Reiter auch) noch schwer tut. Was zunächst meiner Meinung nach aber nicht am Nicht-Können, sondern eher am Nicht-Wollen liegt.

 

Der junge Herr ist sehr relaxed. Es juckt ihn auch nicht, daß während unserer Einheit die Pensionspferde in den Stall geholt werden und draußen großes Getrappel herrscht. Er kennt Anlage und Halle ja schon von früheren Kursen als Begleitpferd; heute sitze ich halt einfach mal im Sattel. Ich bekomme von Jenny noch einige kurze Hinweise zum Sitz (auch hier soll ich nicht schaukeln, sondern ruhig, ruhig, ruhig sitzen, nichts tun – hach ja, soooo schwer!). Wir reiten gemütlich durch die Halle, Handwechsel klappen prima, auch Zirkelverkleinern und -vergrößern bekommen wir hin. Immer wieder kann ich mir den Zügel aus der Hand kauen lassen, so daß sich Kurt ein wenig mehr streckt.

 

Traben: hach, naja. Wie bei Amor soll ich Einatmen, die Beine leicht vom Pferd wegnehmen, im Ausatmen wieder sachte ans Pferd fallen lassen. Wenn Kurt nicht reagiert, einfach wiederholen. Kurt trabt auch immer wieder an, tut sich aber schwer, den Trab wirklich durchzuhalten, daß ich mal dazu käme, selbständig durchzuparieren. Mmmh, mmmh, mmmh. Was mir sofort mit Jennys Hilfe an mir auffällt: sobald Kurti trabt, werde ich wuschig, meine, viel machen zu müssen, damit er trabt. Vermutlich liegt denn auch darin die Krux, daß Kurt sofort wieder stoppt, wenn sein Rucksack da oben anfängt, den Trab durch „Herauspressen“ erhalten zu wollen.

 

Trotzdem bin ich mit unserer ersten Einheit, die letzten Endes keine ganze halbe Stunde dauerte, sehr zufrieden. Kurt hat sich kein einziges Mal im Rücken verspannt, er war entspannt, kaute auf dem Gebiß, gab immer wieder am Zügel nach, wenn ich den Zügel nachgab und hat lt. Jenny für ein gerade mal erst drei Monate unter dem Sattel befindliches Pferd eine echt gute Anlehnung (gerade das hat mich sehr gefreut, weil ich doch gerade hinsichtlich Zügel und Maul bei Kurt ohnehin sehr vorsichtig bin und seine Haltung bisher einfach nur begleite, nicht aber vorgebe).

 

Abends gehen wir zum Griechen essen. Es hat auch etwas für sich, daß wir weniger Teilnehmer als gewöhnlich sind. So kommen wir nicht sonderlich spät nach Hause, können gemütlich duschen und verquasseln uns dann doch bis fast 23 Uhr auf dem Sofa. ;-)

 

Am zweiten Kurstag stehen nur Reiteinheiten auf dem Plan.

 

3. Einheit – Amor – 30 Minuten

 

Wir wiederholen alles von gestern, nehmen als einzigen neuen Baustein den Galopp dazu, was mir explizit die Möglichkeit gibt, nochmals viel zu fühlen. Vor allem, wie es sich anfühlt, nichts zu tun. Das ist schwer für mich auszuhalten, offenbart sich auch gerade im Galopp: wie bei Kurt meine ich, mit viel Schmackes und Gedöns das Pferd am Laufen, Galoppieren halten zu müssen. Und werde dabei so konfus, daß halt mal wieder nicht mal ein Zirkel im Galopp gelingt und oft genug auch noch die Linienführung darunter leidet. So in Gedanken überlege ich, ob das halt wirklich auch mit meiner Lebenseinstellung zu tun hat: ich bin ein Macher, kein Zugucker. Da habe ich gerade hinsichtlich des Reitens noch einiges zu Lernen: loslassen, das Pferd machen lassen. Denn eigentlich gebe ich ja schon vor, wie es aussehen soll: DIESE Linie, DIESE Gangart, DIESES Tempo, DIESE Haltung. Aber dann das Pferd auch einfach machen lassen – das fällt mir schwer.

 

Aber auch hier bin ich mit Amor dennoch sehr zufrieden, weil: mein weltbestes Pony gibt sich soviel Mühe! Kein Buckler, kein Gequietsche. :-) Und jetzt ist er ja schon 20 Jahre alt und macht noch immer so toll mit. :-) Dafür hat er sich dann bei heute 30° Außentemperatur und schwüler Hitze in der Halle eine Dusche verdient – was ich gleich ausnutze, denn zu Hause haben wir ja nur unser Gießkannensystem zum Duschen und nicht wie hier einen Wasserschlauch.

 

Zum Mittagstisch kommt wieder der Pizzaservice.

 

4. Einheit – Kurti – 30 Minuten

 

Wie am Tag vorher hatte Kurt Zeit, mit Gerret während meiner Reiteinheit mit Amor durch die Halle zu laufen. Dann wird er in einer halbstündigen Pause gesattelt, und ich steige erst wieder auf, als Jenny in die Halle kommt. Auch Gerret und Amor sind wieder mit von der Partie. Heute ist Kurti etwas guckig: DA! DA hinten ist die große Hallentür offen (wie gestern allerdings auch... *augenroll*). Aber ich bleibe ruhig, auch, als er einen kleinen Satz macht. Jenny läuft hin, ich folge mit Kurt, wenn ihm das auch noch immer komisch vorkommt. Auch bei ihm machen wir die gleichen Übungen wie gestern. Heute fällt er etwas eher linke Hand nach innen, ist nicht mehr ganz so entspannt, aber immer noch sehr ruhig für ein so junges Pferd, wie ich meine.

 

Nach einigen Versuchen zum Trab probiere ich es mal mit deutlichen Stimmkommandos, die Kurti anspornen sollen, und tatsächlich: ganz am Schluß habe ich das Gefühl, daß das unser Weg ist. Ich kann selbständig durchparieren. Und überschütte Kurti mit viiiiiiel Lob! Er wurde dann zwar etwas zu schnell im Tempo und bekam auch für einige kurze Meter Schlauchgeräusche, war aber nicht hektisch. So lassen wir es dann auch wieder gut sein.

 

Auch Kurti bekommt nach der Einheit eine Dusche – seine erste, denn einen Wasserschlauch kennt er von uns zu Hause am Stall ja nicht. Aber mein Kurt wäre ja nicht mein Kurt, wenn er auch das nicht wie ganz selbstverständlich hinnehmen würde. ;-)

 

Die Pferde dürfen sodann wieder in ihre Boxen und Heu mampfen, bis sie ihr Taxi wieder nach Hause bringt. Die Heimfahrt verläuft sehr ruhig. Am Stall dürfen beide auch gleich hinaus auf die Weide. Kurti findet das etwas plöt, weil da – im Gegensatz zur Hardt-Ranch – wieder jede Menge Flugviechzeugs unterwegs ist. Aber: Hauptsache mampfen. Noch bevor das anstehende Gewitter losbricht, haben wir alles aufgeräumt und kommen auch selbst zu Hause unter die Dusche.

 

Fazit:

 

Toll, toll, toll, wenn auch: hach, verdammt schwer. Ich muß mich so extrem anstrengen, nix zu tun, um es mir und den Pferden leichter zu machen. Ganz im Sinne der Alexander Technik: ökonomisch, nur die Muskeln einsetzen, die es auch braucht, nicht mehr. Verquere Welt... Ich denke, das ist in erster Linie bei mir ganz arg Kopfsache. Auf dem Reitsimulator-Workshop bei Jenny in Zürich konnte ich ja schon einmal spüren, wie angenehm und völlig unanstrengend es ist, wenn das Pferd unter einem galoppiert und galoppiert und galoppiert und man einfach nur mitschwingt. Da will ich auch hin!

 

Ich bin froh, daß ich in Amor so ein braves Lehrpferd habe, das mich viel fühlen läßt, und daß Kurti so toll und brav und cool bei seinem ersten Reitkurs war. Der nächste Kurs mit Jenny steht im September an. :-)

 

 

 

 

Das nennt man Rassevielfalt: 

 

Haflinger, Noriker, Missouri Foxtrotter und Isländer! :-)

Amor und Gerret, Jenny, Tanja auf Kurti
Amor und Gerret, Jenny, Tanja auf Kurti
Else auf einem Missouri Foxtrotter
Else auf einem Missouri Foxtrotter
Tina auf ihrem Isländer
Tina auf ihrem Isländer

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