Nachdem ich im Dezember anläßlich des marbacherischen Springlehrgangs festgestellt hatte, daß mir sitztechnisch hin und wieder eine Einheit auf einem ganggewaltigeren Warmblut im Gegensatz zum Tribbel-Gang meines Hafis mal ganz gut tun könnte, habe ich im Neindorff-Institut (s. www.http://www.von-neindorff-stiftung.de) einen Termin für eine Longenstunde vereinbart. Außerdem möchte ich insbesondere meine recht mangelhafte "Leitung" zwischen Gesäß und Großhirn verbessern, nachdem ich immer noch nicht recht erfühlen kann, ob mein Pferd im Hand- oder Außengalopp anspringt oder ich auf dem richtigen Fuß trabe. Nachdem der Terminkalender dort sehr voll zu sein scheint, muß ich drei Wochen warten.

Zum ausgemachten Termin erscheine ich eine gute halbe Stunde zu früh, um mir die Anlage etwas genauer anzusehen: mitten in Karlsruhe neben dem Städtischen Klinikum gelegen, erkennt man es von außen nur aufgrund der recht kleinen Hinweisschilder: "Neindorff-Institut". Begleitet von meinem Mann parken wir auf dem kleinen Parkplatz neben der Reithalle und betreten die Anlage. Als erstes werfen wir einen Blick in die überschaubare, aber schöne Reithalle, in der gerade Gruppen-Unterricht durch Axel Schmidt stattfindet, ein Hafi (über dessen Anblick als erstes Pferd, das ich auf der Anlage sehe, ich mich als eigene Hafi-Besitzerin besonders freue) verläßt gerade die Reithalle. Drinnen kommt mir als zweites ein Pferd mit extrem links heraushängender Zunge entgegen. Ups. Nachdem der Unterricht gerade nahezu beendet erscheint, gehen wir weiter. Ich frage eine Dame, welche mit ihrem spanisch angehauchten Schimmel auf dem Hof steht, nach Armin Dietrich, bei dem ich die Longenstunde vereinbart habe. Sie zeigt uns die kleine Reithalle, in welcher die Longenstunden stattfinden. Nachdem noch immer reichlich Zeit ist, wollen wir uns zunächst noch etwas näher umschauen und betreten die große Reithalle über einen Seiteneingang. Dort befindet sich auch der Neindorff-Gedächtnisraum, den wir jedoch nicht näher inspizieren. Von dort aus gelangen wir auch in die Stallungen: sämtlich vergitterte Einzelboxen in durchschnittlicher Größe. Auffallend ist der extreme Pferdegeruch.

Wir wandern weiter zur kleinen Reithalle, welche eigentlich nur aus einer runden Wellblechhalle (halber Zylinder, wie ich ihn von Truppenübungsplätzen oder Flughäfen kenne) besteht. Drin longiert Herr Dietrich bereits einen jungen Schüler. Ich gebe mich kurz zu erkennen und beäuge den Unterricht. Das große, dunkelbraune Warmblut scheint bereits älteren Semesters zu sein und schlurft sehr brav, aber durchaus ökonomisch durch den Hallensand. Der Junge, schätzungsweise 12 Jahre alt, wird von Herrn Dietrich zunächst vor allem darin geschult, sich primär auf sein Gefühl zu konzentrieren. Da bin ich sehr gespannt, bin ich doch genau aus diesem Grund hier.

Dann komme ich dran. Herr Dietrich verarztet erst noch verschiedene Damen mit Terminen, so daß der Unterricht gut 10 Minuten später anfängt. Er erkundigt sich nach meinen bisherigen Kenntnissen, welche ich mit ca. 12 Jahren spazierentragen lassen und vier Jahren reiten und eigenen Pferden angebe. Außerdem weise ich ihn auf mein mangelndes Gefühl hin.

Ich verlängere die Steigbügel entsprechend und steige über eine Aufstiegshilfe auf. Hierbei bekomme ich sofort den ersten Hinweis: ich soll viel gefühlvoller auf-/einsitzen. Zunächst darf ich mich im Schritt auf dem Pferd einfühlen, wobei mir Herr Dietrich erzählt, worauf es hauptsächlich beim Reiten ankommt: das Pferd, durch das Gewicht des Reiters aus dem Gleichgewicht gebracht, so wenig als möglich zu stören und zu unterstützen, das Gleichgewicht wieder zu finden. Das finge aber auch schon mit passender Ausrüstung an. Keinesfalls sollte man Nasenriemen zu eng schnallen oder sogar welche mit elastischem Anzug verwenden. Diese Ausführungen sind mir zwar durchaus geläufig, jedoch finde ich es sehr gut, daß Herr Dietrich die Zeit, die ich zum Einfühlen brauche, für entsprechende Erklärungen nutzt, zumal er mich ja nicht kennt. Als er nebenbei auch noch erwähnt, daß das Pferd ja ein Lauftier sei, muß ich dennoch innerlich stutzen: viel - frei - laufen können die Pferde hier mitten in der Stadt außer unter dem Reiter eher wenig.

Schließlich stellt er fest, daß meine Steigbügel doch deutlich zu kurz sind. Ich muß sie mind. zwei Löcher länger schnallen. Auch hierbei gleich wieder der Hinweis an mich: nicht so ruppig! Das Pferd sollte ich auch bei derartigen Tätigkeiten auf seinem Rücken so wenig als möglich stören. Ich kann das gleich nochmals üben, denn ich muß die Riemen um ein weiteres Loch länger schnallen.

Rusty, ein russisches Warmblut, wie ich erfahre, schlurft gemächlich weiter. Zunächst soll ich mich auf meine Sitzbeinhöcker konzentrieren. Das Gesäß sollte so breitflächig wie möglich im Sattel Platz nehmen und komplett entspannt sein. Das sei sehr schwierig wegen der Gesäßmuskulatur, weil diese eine der größten Muskelgruppen im menschlichen Körper sei. Zum Vergleich soll ich die Muskeln einmal anspannen und wieder nachlassen. Komplett entspannt sollte sich zwischen Sattel und Sitzbeinhöckern eigentlich nur noch die Reithose befinden. Naja, bei meinem barocken Hinterteil... Gleiches gelte für die Oberschenkel. Diese sollen keinesfalls angespannt sein, sondern nur über ihr Herunterhängen links und rechts Halt geben. Auf dem gemütlich dahinschlurfenden Rusty habe ich genug Gelegenheit, das zu erspühren, was Herr Dietrich versucht, mir zu vermitteln.

Dann wird angetrabt. Auf meine Schenkelhilfen, die ich versuchsweise einsetze, reagiert Rusty nicht. In den ungewohnt längeren Warmblut-Trab muß ich mich erst einfummeln. Ich soll mich vorne am Hilfsriemen mit der rechten Hand festhalten und vor allem den linken Arm komplett locker runterhängen lassen. Nach einigen Runden soll ich mein Gewicht etwas deutlicher nach vorne nehmen, um mich besser ausbalancieren zu können. Außerdem weist mich Herr Dietrich darauf hin, daß Rusty sich immer wieder verhalte und versuche, in den Schritt auszufallen. Das würde daher kommen, daß ich ihn mit dem Sitz störe. Mir kommt es eher so vor, als würde Rusty immer dann ausfallen, wenn er den durch die Longeneinheiten rundgetretenen Hufschlag verläßt und wieder auf diesen einspurt.

Schließlich erklärt mir Herr Dietrich, daß es beim Leichttraben vor allem darum gehe, es dem Pferd leichter zu machen. Auf keinen Fall handele es sich um eine Hoch-Runter-Bewegung, sondern um eine Bewegung aus den Hüften mit dem Becken heraus nach vorne. Würde man immer hoch-runter gehen, wären ja auch die Hände einbezogen, was sich auf die Zügelführung auswirken würde. Außerdem soll es keine zweigeteilte Bewegung sein (hoch-runter), sondern eine fließende. Ich stelle mir eine elyptische Bewegungsabfolge vor und ernte ein "Besser!".

Dann kommen Übergänge zwischen Leichttraben und Aussitzen, die ebenfalls ganz weich erfolgen sollen. Nachdem ich diese einigermaßen gut hinbekomme, ist die 25-minütige Einheit auch schon zu Ende.

Herr Dietrich fragt, ob ich nicht lieber die Gruppenstunden mitreiten möchte. Das möchte ich jedoch auf keinen Fall, weil ich mich ausschließlich auf meinen Sitz und das noch fehlende Gespür konzentrieren will. Jedoch hat mein Mann - wie meist in solchen Situationen - einen Motivationsschub und fragt ebenfalls nach einer Einheit Longenunterricht nach. So vereinbaren wir einen Folgetermin in vier Wochen.

Fazit: für eine erste Einheit fand ich den Unterricht gar nicht so schlecht, wenn auch nicht wirklich ein Highlight mit dabei war. Aber ich konnte mich einmal ausführlich auf mich und meinen Hosenboden konzentrieren. Herr Dietrich, fortgeschrittenes Semester, hat eine sehr ruhige und bestimmte Art, einem die Dinge näher zu bringen. Auch macht er öfters vom Boden aus Übungen vor, die man im Sattel umsetzen soll. Rusty ist ein ruhiges Longenpferd und kennt die Abfolge genau: als Herr Dietrich was von "Aufmarschieren" murmelt, quert er sofort in die Mitte der Bahn.

Ob ich den Unterricht weiterverfolgen werde, kann ich als solches noch nicht sagen. Was mich eher stört, ist, daß das Ambiente außenherum (teilweise etwas hochgestochen, die deutlich antiquierte Pferdehaltung) nicht auf meiner Linie liegt. Außerdem vermißte ich für Rusty öfters mal einen Handwechsel. So mußte er zwei Einheiten komplett immer nur linksherum laufen. Für 25 Minuten habe ich 30 EUR bezahlt. Ob es mir das weiterhin wert ist, wird die nächste Einheit zeigen.

Fazit nach der zweiten Einheit einige Wochen später: nachdem unser Longenpferd auch an diesem Nachmittag drei jeweils halbstündige Einheiten ausschließlich linke Hand longiert wurde und ich als Fortgeschrittene für die gleiche Longeneinheit wie Gerret als Anfänger mehr bezahlen mußte, werden wir hier keinen weiteren Unterricht nehmen.

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