Ein Zornigel lernt Kringellaufen – Kursbericht Marion Seel 08./09.10.2011

Im Herbst letzten Jahres habe ich mit Amor schonmals an einem Kurs mit Marion  teilgenommen, weshalb es trotz der vielen Schwierigkeiten, die Amor und ich zusammen in 2011 hatten, außer Frage stand, daß wir auch diesen Herbst mit von der Partie sind. Zur mentalen Unterstützung habe ich Gerret gebeten, uns zu begleiten. Wir reisen mit Amor bereits am Freitagabend an und beziehen, wie immer, ein Zimmer im Hotel Zum Erker. Marion ist bereits eingetroffen, und so verbringen wir einen gemütlichen Abend miteinander, bei dem ich nicht versäume, Marion vorab ausführlich von unseren bzw. meinen Problemen zu berichten: unmotiviertes, buckelndes Pferd auf Kursen, das Durchgehen im Frühjahr im Gelände, meine ständige Angst, etc. Außerdem instruiere ich Marion über mein einziges Kursziel: einen entspannten Kurs ohne Angst zu reiten. Man wird sehen…

Da Amor sich gerne aufspielt, wenn andere Pferde die Halle verlassen und er alleine zurückbleiben muß, sind wir wie immer als erste am Morgen dran. Ich reite gemütlich warm und versuche, möglichst entspannt zu sein, tief zu atmen und nicht 90 % meiner Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, wie ich reagieren soll, wenn Amor evtl. losbuckelt. Ich denke immer wieder an mein mentales Entspannungsbild: weißer Sandstrand in der Karibik, vor mir das hellblaue Meer, ich in der Hängematte unter Palmen mit einem Caipi in der Hand. Das klappt ganz gut.

Marions erste Feststellung zu Beginn: ich sitze nicht im, sondern über dem Pferd. Das ist mir in den letzten Wochen und Monaten auch selbst bereits aufgefallen. Ich soll mich richtig in den Sattel setzen und meine Sitzbeinhöcker spüren. Gar nicht überraschenderweise fühle ich mich natürlich gleich mal wesentlich wohler im Sattel, wenn ich so sitze. Da könnte man auch selbst drauf kommen, schimpfe ich mich gedanklich. Ich achte sehr genau auf meine Pomuskulatur und kann so auch wesentlich besser traben.

Marions zweite Feststellung: ich stehe ich Trab viel zu weit auf. Amor ist ja schließlich kein ganggewaltiges Warmblut. Ich soll es mir ganz einfach machen und nur so viel aufstehen, wie er mir auch Schwung dafür mitgibt. Das ist ziemlich wenig und ich stelle zu meiner wachsenden Begeisterung fest, daß ich mich dann ja gar nicht so anstrengen brauche. Außerdem fühle ich mich so noch sicherer. Toll!

Marions dritte Feststellung nach diversen Fragen: ich kann offensichtlich nicht erfühlen, wann sich welches Bein am Boden befindet oder abfußt. Pfff, natürlich kann ich das: wenn mein Schenkel im Trab an’s Pferd fällt, fußt der gleichseitige Hinterfuß ab. Tja, aber ich kann leider nicht erfühlen, wann er denn aufgesetzt wird.

Marions vierte Feststellung: Ich habe viel Handwerk, aber kein Gefühl gelernt. *rotwerd* Oh je.

Das ist neben dem entspannten Sitzen in der ersten Einheit des Kurses unsere Aufgabe: zu erfühlen, wann welcher Fuß abfußt und auffußt. Ich bekomme Kopfsalat und werde ganz wirr. Schließlich soll ich nämlich auch noch alle vier Füße gleich nacheinander ansagen und dichte Amor dabei acht Füße, anstatt seiner vier an… Als es im Schritt dann aber doch ganz gut klappt (vor allem mit dem Auffußen hatte ich so meine Probleme), geht es an den Trab, wo ich hin und wieder runterschiele – was Marion natürlich nicht entgeht. Ich soll sie angucken. Mist. Aber auch das bekomme ich irgendwann gebacken und so können wir die erste Einheit zufrieden beenden.

Nach dem Mittagessen (Rippchen mit Sauerkraut *schleck*) bin ich wiederum die erste, die dran ist. Ich bespaße Amor gerade zum Aufwärmen mit Handarbeit, als eine Einstellerin des Hofes mit ihrer Hafi-Stute zum Longieren zur Halle hereinkommt, da sie die Zeiteinteilung des Kurses nicht wußte. Sofort schießt es mir durch den Kopf: "Wenn die rausgeht…!!!" und beglückwünsche mich zu meinem Entschluß, den Westernsattel genommen zu haben. Amor wird auch postwendend ziemlich aufgeregt. Mist! Ich versuche, trotzdem frohen Mutes in den Sattel zu steigen, als Marion kommt. Leider sind jedoch bereits wieder 90 % meiner Aufmerksamkeit darauf gerichtet, wie ich mich verhalten soll, wenn der Vierbeiner unter mir loslegt. Und was macht mein Pony dann auch, als die Hafi-Stute die Halle verläßt?: es bricht ein wahrer Vulkan unter mir los. Amor ist der volle Zornigel, rennt rückwärts, quietscht, motzt, stampft empört mit den Vorderbeinen auf, setzt zum ein oder anderen Buckler an. Marion reagiert sofort: ich soll mich tief hinsetzen, sitzen, sitzen, sitzen, atmen, seinen Kopf oben lassen und, als er immer wieder aufstampft, ihn vorne an der Schulter mal links, mal rechts touchieren. So bekommen wir einen sehr emotionalen und laut hörbaren spanischen Schritt hin. :-)

Leider kann ich von dieser Einheit gar nicht mehr so genau berichten, was wir denn da nun eigentlich gemacht haben, denn, wie gesagt, entgleitet mir meine Aufmerksamkeit immer wieder. Marion unterstützt mich jedoch in jedem Augenblick, erinnert mich immer wieder an meinen tiefen Sitz im Pferd und daran, daß ich atmen soll, und tatsächlich: ich kann immer und in jeder Sekunde meine Sitzbeinhöcker spüren. Damit Amor ruhiger wird, soll er ganz eng um Marion herumtraben und sich dabei selbst tragen. Das findet er natürlich gar nicht witzig, weil das anstrengend ist.

Ich würde Amor gerne immer mal eine mit der Gerte geben, wenn er blöde wird, traue mich aber nicht. Einmal jedoch, als Marion gerade etwas erklärt, kreischt er wieder unter mir böswilig los. Da platzt bei mir sowas wie ein Knoten: ich werde sauer. Geht ja wohl gar nicht! Ich beuge mich nach vorne zu Amors linkem Ohr und schreie lautlaus rein: „Du blödes Mistvieh, halt Deine verdammte Klappe!“ Das hat zwar bei Amor keinen großen Erfolg (im Gegensatz zu den Zuschauern; die sind nämlich plötzlich mucksmäuschen still und ich höre Marion noch sagen: „Nene, laß‘ sie mal.“), aber ich fühle mich wesentlich besser – ruhiger! Soll der doch ein Problem damit haben, ich hab keines. Pff!

Gegen Ende der Einheit meint Marion, daß sie Amor nun noch gerne ein paar halbe Tritte an der Hand machen lassen möchte. Zuerst versuche ich mich als Führer, jedoch stürmt er mir ständig davon. So versucht sich Marion zunächst eine lange Seite selbst und übergibt ihn mir dann wieder, als er sich etwas beruhigt hat. Anstatt seitlich vorwärts neben ihm herzulaufen, laufe ich lieber rückwärts. Marion touchiert. So geht es. Amor verwendet natürlich ziemlich viel Engagement darauf, Marion zu treffen, die jedoch ihrerseits ganz zufrieden ist: würden wir das öfters machen, vor allem auch als Kopfaufgabe für Herrn Zornigel nutzen, säße das wohl relativ schnell.

Ich bin nach dieser mental sehr anstrengenden Einheit ziemlich alle und verkrieche mich für den Rest des Tages in meinen Campingsessel unter der Pferdedecke.

Nachdem der letzte Teilnehmer am Nachmittag fertig ist und ich eigentlich gedanklich schon im Hotel im Bett liege, meint Marion plötzlich: „So, und jetzt holst Du Deinen nochmals.“ Ich bin ganz perplex. Echt? Mmmh. Also gut. Amor wird ohne große Umschweife nochmals gesattelt. Wir kommen in die Halle und er ist sofort wieder motzig. Jetzt soll er noch was machen? Allerdings lasse ich mich davon nicht mehr so recht beeindrucken. Ich setze vorsichtshalber schon mal ein recht hochnäsiges und überhebliches Gesicht auf und denke an einen spanischen Rejoneo. Wir reiten keine ganze halbe Stunde mehr, aber allein das Gefühl, daß ich auf meinem unfreundlichen Roß ganz ruhig sitzen kann, bleibt mir nachhaltig in Erinnerung.

Allerdings bin ich nun wirklich groggy. Auch als wir noch zusammen mit Marion zu Abend essen, bin ich relativ platt, weshalb der Abend nicht allzu lang wird.

Am nächsten Morgen übe ich schon auf dem Weg zur Halle: wiehert Amor los, weise ich ihn ruhig, aber konsequent zurecht, ein paar Schritte rückwärts und gut. Wir kommen in die Halle. Ich fühle mich ganz gut. Jedenfalls noch wesentlich besser als gestern. Ich achte bei Amor auf jede Kleinigkeit: er darf gucken, muß aber darauf achten, was ich von ihm will. Empörtes Wiehern unterbinde ich: ich halte kurz an und klappse kurz mit der Gerte auf’s Hinterteil. Gehen die Ohren auf Wanderschaft, hole ich sie mir wieder mit dem Schenkel. Noch beim Warmreiten fühle ich mich so gut, daß ich angaloppiere. Marion kommt und steigt sofort ein: ich soll die Fußfolge im Galopp ansagen. Ei wei! Noch mehr Kopfsalat. Ich habe Schwierigkeiten damit, überhaupt ein Bein zu fühlen. Nach ein paar Versuchen und als ich schließlich die Augen zu mache und so auf den Zirkel galoppiere, geht es doch. Ich kann sagen, wann es abfußt und später auch, wann es auffußt. Ich spüre auch, wo sich mein Becken dabei befindet. Prima!

Ein paarmal fällt mir Amor immer wieder an der gleichen Stelle aus, er wird zu flach. Ich soll außen nachtreiben, weil außen für den Schwung zuständig ist (innen für das Tempo). Sofort galoppiert Amor schön durch, fällt mir dann allerdings immer wieder nach innen und verkleinert den Zirkel. Warum? Weil ich zuviel Gewicht auf den äußeren Steigbügel bringe. Marion erklärt, daß sich diesen Effekt z. B. auch Springreiter im Stechparcours zunutze machen, indem sie nach der Landung in den rechten Steigbügel treten, wollen sie gleich nach links wieder weg. Deshalb soll ich nun die Schwebephase spüren. Als das klappt, soll ich ein paarmal in der Schwebephase innen den Bügeltritt, dann mal außen anwenden. Trete ich innen drauf, vergrößert Amor den Zirkel, trete ich außen drauf, verkleinert er. Ganz easy. Cool, wieder was gelernt.

Zum Abschluß dieser Einheit sollen wir schließlich im SH die lange Seite heruntergaloppieren. Ich ziehe ständig am inneren Zügel , Amor ist kaum auf der Linie zu halten. Nach zwei mißglückten Versuchen lasse ich den inneren Zügel mal richtig schlackern und konzentriere mich ausschließlich auf den äußeren. Da ich dabei allerdings vergesse, richtig zu sitzen, gurken wir auch da ein bissele schepps, aber besser als vorher. Das müssen wir mittags nochmals probieren.

Da ich schon merke, daß eine Erkältung im Anzug ist, kuschle ich mich bis zur Mittagspause wieder in meinen Campingsessel und verschanze mich unter der Pferdedecke.

Nach einem weiteren tollen Mittagessen (Steaks mit Reis und Kohlrabi und lecker Salat) starten wir zur letzten Einheit. Ich bin wieder sehr gut drauf, galoppiere gleich munter durch die Halle und probiere nochmals die Bügeltritte aus: klappt einwandfrei. Cool! Wir machen am Thema des Vormittags weiter. Zur besseren Vorbereitung des SH im Galopp soll ich auf die Länge der Bahn abwenden und bei X zunächst eine Volte links, dann rechts reiten und die Hand nicht wechseln. Ich merke sofort, daß ich meinen inneren Schenkel mehr einsetzen muß, weil sich Amor in den Volten kaum biegt. Bereits das ist für mich ein neuer Erfolg: ich merke selbst, DASS was falsch ist, merke auch WAS falsch ist und kann das selbständig korrigieren. Die nächste Abfolge wird daher wesentlich besser. Dann soll ich auf die Länge der Bahn im SH abwenden, Volte links, Volte rechts und hieraus dann im SH weiter, schließlich geradestellen und die Hand wechseln. Uff. Wir reiten Marion, die knapp neben der Länge der Bahn steht, fast um. Beim nächsten Versuch sitzt es und ich mache so ein zufriedenes Gesicht, daß die Zuschauer lachen. Dann probieren wir nochmals das SH im Galopp an der langen Seite – und auch das funzt, zumindest die gerade Linie. Daneben findet ganz unbemerkt mein persönlicher Höhepunkt des Kurses statt: Amor galoppiert nur auf meine Beckenbewegung hin an.

Marion kommt in die Zirkelmitte, ruft mich zu sich und sagt, ich solle ganz eng um sie herumreiten und dann angaloppieren. Das kenne ich noch vom letzten Jahr: Ansätze zur Galopppirouette. 2x klappt es ganz leidlich für einen Sprung, aber Amor zündet nicht. Also soll ich ganze Bahn gehen und durch die Länge der Bahn immer wieder wechseln und zulegen, aber nur aus dem Sitz heraus. Und natürlich das Pferd vor der Bande wieder „einfangen“. Tja, das Zulegen klappt ja ganz gut, aber vor lauter Reiten vergesse ich das Zurücknehmen. Peinlich, peinlich. Wir brauchen mehrere Versuche. Als Amor plötzlich einmal unvermittelt angaloppiert und einen Sprung macht, den ich als Ansatz zum Bocken interpretiere, rufe ich laut „Haalt!“ und pariere durch. Marion fällt schier vom Glauben ab und sagt ganz entgeistert: „Da springt Dein Pferd einen fliegenden Galoppwechsel und Du parierst ihn durch…..????????????????“ Öhm, ja. Das kommt davon, wenn man – noch – nicht nachhaltig fühlen kann, was sich wann da unter einem bewegt.

Zum Abschluß meint Marion, sie wolle Amor nun nochmals mit mir im Sattel halbe Tritte gehen lassen. *schluck* Nenee, das geht gar nicht. Das wollte Desmond letztes Frühjahr auch mit mir machen, und schließlich lag ich im Dreck mit Sternchen vor den Augen, weil mein Pferd mich über die Schulter rodeomäßig runtergeholt hatte. Ich frage noch halblebig ins Publikum, ob mir das nicht jemand abnehmen möchte…? Nein, natürlich nicht. Also gut. Amor ist mit mir im Sattel allerdings auch wesentlich ruhiger als noch gestern an der Hand bei dieser Arbeit. Ich brauche ja auch nur locker und vor allem aufrecht zu sitzen (ich kriege immer wieder Marions Gerte in den Rücken *pitsch* *pitsch*) und ihn vorne leicht zu halten. Nach vier langen Seiten verläßt mich dann aber doch vollends der Mut und ich möchte aufhören – will ich mir doch meine ganzen Erfolgserlebnisse jetzt nicht noch zunichte machen.

Trotz der Mittagseinheit, an der mein Pony mal wieder die Drecks** raushängen ließ, habe ich mein Kursziel vollends erreicht: ich war zwar nicht komplett entspannt, aber ich hatte nicht die Angst wie früher. Ich konnte mich behaupten und meine Angst gut beherrschen. Außerdem konnten wir enorm viel arbeiten; ich stand mir nicht dauernd selbst im Weg. Deutlich zu Tage getreten ist, daß Amor einfach wesentlich mehr Bespaßung für den Kopf braucht, als ich ihm in der letzten Zeit gegeben habe bzw. geben konnte. Der Fluch der intelligenten Ponys… Auf jeden Fall müssen wir auch weiter daran arbeiten, daß er eben auch mal Sachen machen muß, die ihm nicht so gefallen, ihm jedoch auch nicht schaden. Kringelreiten zum Beispiel.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0