Wohl über meine PM-Mitgliedschaft bei der FN ist mir eine Einladung zu diesem Event ins Haus geflattert: Jean Bemelmans (s. a. http://www.st-georg.de/news/detail.php?class=6&objectID=8266), seines Zeichens Reitmeister und Trainer der Spanischen Equipe, gibt im Rahmen dieser Veranstaltung Reitunterricht unter dem Motto "Das Erarbeiten von Problemlösungen beim Dressurpferd". Daneben gibt es noch einen Vortrag über Magengeschwüre beim Pferd. Mir sagt sein Name zwar gar nichts, aber es kann ja nie schaden, einem Reitmeister beim Unterricht zuzuschauen. So kommen Göga und ich am Donnerstag Abend recht frühzeitig am Vernstaltungsort an. Selbst im Dunkeln ist zu erkennen, daß am Hof noch kräftig gebaut wird. Wir spazieren in die riesige neue Reithalle, wo es bereits Verpflegung gibt: Gulaschsuppe, belegte Brötchen, Sekt, Glühwein, etc. Da noch nicht allzu viele Leute da sind, löffeln wir erst mal gemütlich unsere Suppe direkt neben den Herren Henning und Bemelmans, die auch ihren Hunger stillen. Auf 19 Uhr zugehend wird es immer voller. Wir stehen auf der Zuschauertribüne direkt an der Bande und haben den besten Blick. Es sind sicherlich mehr als die angenommenen 300 Leute jeglicher Coleur gekommen, darunter auch viele Schicki-Micki-Mädels mit gefälschten Hermes-Halstüchern.

Zunächst wird nach einer kurzen Begrüßung durch Herrn Henning der Vortrag über Magengeschwüre gehalten. Und zwar von einer Tierärztin, angestellt bei der Firma Merial, und dann auch noch ziemlich genau dieser hier, wie ich gerade im www festgestellt habe: http://de.merial.com/equine/faq.asp Dort war's halt nur noch mit Bildern unterlegt.

Dann kommt Herr Bemelmans in die Bahn, ganz locker in hellbrauner Cordhose und Wellensteyn-Jacke. Nach kurzer Vorstellung zu seiner Person und dem Hinweis, daß es ihm am liebsten ist, wenn fremde Unterrichtssuchende erst mal gar nicht soviel von sich erzählen, sondern er lieber selbst in Augenschein nehmen will, wo die Probleme liegen, kommt das erste Pferd in die Halle, eine junge 5-jährige braune Stute, geritten vom hofeigenen Pferdewirtschaftsmeister Martin (wohl der Betriebsleiter Landwirtschaft gem. Homepage). Das Pferd soll Anlehnungsprobleme haben.

Bemelmans läßt zunächst viel Schritt reiten, doch hierbei während der Lösungsphase schon immer mal wieder Versammlung verlangen, nach ein paar Schritten aber auch sofort wieder lösen. Gut gefällt mir, daß er immer wieder sagt: "Zügel lang. Noch länger." Ermahnend: "Noch länger!". Und schließlich, als der Reiter wohl nicht begreift, was gemeint ist: "Nur noch die Schnalle zwischen den Fingern halten." Den Hinweis auf die Schnalle bekommen alle Reiter ein paarmal an diesem Abend zu hören. Die Stute arbeitet sehr gut mit, ist weder aufgeregt ob der vielen Zuschauer, noch ergeben sich die Anlehnungsprobleme, wie Bemelmans feststellt. Auch nicht im Trab. Die Stute tritt schön an's Gebiß. Als schließlich der Galopp hinzukommt, kritisiert Bemelmans den Sitz des Reiters. Er reitet, wie er zugibt, auch öfters Springen, als Dressur. Lt. Bemelmans fällt dies insoweit in's Auge, als der Springreiter sich vom Pferd eher mitnehmen läßt, der Dressurreiter dem Pferd die Form dagegen vorgibt. Der Reiter soll aktiver reiten, hierbei auch immer mal wieder die Gerte leicht einsetzen, um das Hinterbein aktiver zu bekommen. Als Bemelmans immer wieder an's Reiten, Reiten, Reiten und nicht nur Tragenlassen erinnert, wird der Motor der Stute aktiver.

Auch im Galopp fordert Bemelmans immer nur wieder kurze Reprisen von Versammlung, dann gleich wieder nachgeben. Vor allem im Galopp merkt man, daß es dem Reiter doch schwerfällt, dem Pferd den Zügel auch vertrauensvoll hinzugeben, weil Bemelmans immer wieder mal an die Schnalle erinnern muß. Lt. Bemelmans ist es jedoch auch für die Motivation des Pferdes unerläßlich, das Pferd oft auch frei vorwärts gehen zu lassen, nachdem man etwas von ihm verlangt hat. Schließlich zeige ein Pferd meistens gerade dann die besten Gänge, wenn es nicht festgehalten wird. Das bestätigt sich, denn man kann gerade bei der jungen Stute sehen, wie die Gänge sich nach so einem frischen, freien Vorwärts nochmals verbessern. Letztlich werden einfache Galoppwechsel geübt, die das Pferd noch nicht kennt. Da der Reiter die Gerte jedoch immer nur links trägt und beim Handwechsel nicht wechselt, werden die Wechsel von rechts auf links ganz ordentlich, von links auf rechts schlägt die Stute jedoch ein paarmal heftig nach der Gerte.

Insgesamt hat mir die Vorstellung dieses Pferdes sehr gut gefallen. Sehr nettes Stütchen.

Hiernach kommt die Pferdewirtschaftsmeisterin der Anlage (lt. Homepage wohl die Betriebsleiterin der Reitanlage) mit einem riesigen 11-jährigen braunen Wallach, einem Schlachtschiff in die Halle. Der ist zunächst ziemlich aufgeregt, wird als S-Dressurpferd vorgestellt. Schon beim Warmreiten kann man sehen, daß das Pferd deutlich mit einem falschen Knick im Genick geritten wird und ich bin gespannt, wie Bemelmans hierauf eingeht. Dessen Konzept ist hier relativ einfach: wie bei der Stute vorher läßt er immer wieder gleich mal versammelte Schritte gehen und gleich wieder nachgeben. Doch erst im Trab sieht man, wie der Wallach sich plötzlich aufrichtet und das Genick endlich der höchste Punkt am Riesenpferd ist, nachdem Bemelmans mehrfach - mal wieder - an die Schnalle erinnern mußte. Hin und wieder fehlt die Hinterhand. Kommt die Reiterin mit der Gerte, kann man kurz passageartige Tritte erahnen. Im Trab wird dann auch an der Traversale gearbeitet.

Schließlich kommt der Galopp dran, wobei Bemelmans zunächst 4er-Wechsel, dann 3er, 2er und schließlich 1er-Wechsel verlangt. Mehr als vier habe die Reiterin jedoch noch nie herausreiten können. Bemelmans stellt fest, daß das aus dem Grunde nicht klappt, weil die Reiterin zu langsam ist. Das Pferd könne zwar noch erahnen, was sie möchte. Aber eigentlich müsse sie vor dem Galoppsprung agieren, sie tut es jedoch im nachhinein.

Zum Schluß wird noch an der Pirouette gearbeitet. Die Reiterin hat hier Probleme mit der Schulterkontrolle. Bemelmans läßt die Reiterin zunächst auf dem Zirkel sehr versammeln und wieder frisch vorwärts galoppieren. Hiernach soll sie auf dem zweiten Hufschlag der langen Seite gehen und zunächst eine halbe Pirouette vor der kurzen Seite reiten. Zur Verbesserung schlägt Bemelmans immer wieder Traversgalopp vor und schließlich in der Pirouette ein Verschieben beider Zügelfäuste nach innen. Zum besseren Verständnis läuft er auch mit und läßt das Pferd um sich herumgaloppieren. Die Pirouetten werden hierdurch besser.

Grundsätzlich hat mir allerdings vor allem die Reiterin nicht so sehr gefallen, weil sie mir persönlich zu schraubstockartig im Sattel saß. Zwar äußerst locker im Kopf (der beim Mitteltrab oft nickte wie ET aus dem All), aber untenrum ziemlich fest. Mir sah das ganze zu sehr nach immensem Druck aus, wenn man z. B. auch keine nach oben gezogenen Maulwinkel sehen konnte. Das Pferd machte mir keinen fröhlichen Eindruck.

Als letztes kommt nochmals der erste Reiter mit einer Fuchsstute in die Bahn, auf Kandare gezäumt, die durch das Publikum komplett verunsichert ist. Sie verdreht deutlich mehrmals die Augen. Um sie zunächst einmal ruhiger zu bekommen, läßt Bemelmans recht schnell antraben, wobei sie auch das Publikum beäugen darf. Auch hier verlangt er immer wieder Versammlung und schnelles nachgeben, bei dieser Stute jedoch eher in Form von beiseitigem Überstreichen. Auch soll sie gut flott vorwärts gehen und der Reiter hierbei die Zügel auch komplett hingeben. Tatsächlich beruhigt sich die Stute gerade hierdurch deutlich, wobei es dem Reiter merklich schwer fiel, die Zügel loszulassen, was Bemelmans mit einem Bonmot aus Kanada quittiert (er habe einer Frau geraten, die Zügel doch mal loszulassen, sofort sei sie runtergefallen).

Auch hier wird schließlich an den 1er-Galoppwechseln geübt, die jedoch zunächst nicht gut gelingen. Bemelmans erklärt, daß es durchaus viele Pferde gibt, die einfach kein Talent für diese Lektion hätten, wobei auch viel in der Ausbildung vermurkst wird. Man dürfe nicht heute drei, morgen vier und übermorgen fünf 1er verlangen, sondern lieber immer nur einen, dann mal zwei und gut. Schließlich muß auch der Reiter sich erst einfühlen, wie man sehr gut am Pferdewirtschaftsmeister erkennt: als der nämlich vier Wechsel hintereinander reiten will, sieht man ihn wie wild auf dem Pferderücken von links nach rechts und umgekehrt rutschen, das Pferd produziert jedoch lediglich einen ausgesprochenen Galopp-Gangsalat.

Der Reiter hat mir auf der ersten Stute wesentlich besser gefallen, wobei ich allerdings eher den Eindruck hatte, daß dies am unverdorbenen fünfjährigem Stütchen lag, das einfach noch frisch und unvoreingenommen läuft, die Fuchsstute eben schon anderes Gereit erlebt hat.

Insgesamt fand ich den Unterricht von Bemelmans sehr pferdefreundlich, hätte mich allerdings über ein bißchen mehr Erklärungen gefreut (warum jetzt diese Übung zu dieser Problembehebung), was aber mehr ein persönliches Problem von mir als Gefühls-Legasthenikerin ist. Die Reiter konnten das jedenfalls gut umsetzen und man konnte Verbesserungen sehen. Bemelmans scheint ein ziemlich lockerer Mensch zu sein, der viel lobt, hin und wieder auch einmal sehr deutlich, aber mit netten Worten korrigiert und auf Schwächen hinweist.

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