Plötzlich war er da, der 31.10.2009. Mein Göttergatte und ich packen Amor im Laufe des Mittags in den Hänger und fahren gemütlich in Richtung Ober-Ostern. Ohne Stau und vor allem ohne ein zappeliges Pferd im Hänger kommen wir pünktlichst auf der Reitanlage Lang an. Amor bezieht seine Box und ich mein Lieblings-Zimmer "Andreas Stuben", wie das letzte Mal, direkt gegenüber vom Stall. Wir verspeisen in der Gaststätte noch ein selten lecker Rumpsteak mit vielen Zwiebeln, dann fährt Gerret wieder Richtung Heimat und ich verziehe mich früh ins Bett.

Am Sonntag bin ich um 09.30 Uhr die erste Teilnehmerin. Einige Zuschauer sind auch schon da. Desmond fragt wie immer nach unseren Wünschen, die ich konkret auf die Anlehnung beziehe. Seitengänge würde ich auch mal gerne machen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich sie immer richtig reite. Ich würde gerne ein Gefühl dafür bekommen. Im letzten Kurs hatten wir bereits an der Anlehnung gearbeitet und schnell wird mir klar, daß ich es seither wieder viel zu sehr habe schleifen lassen: ich habe Angst, Amor über die Zügel zu fest anzupacken, übe aber ständig Dauerdruck aus. Ein schlimmer Kreislauf, der mir erst im Kurs wieder deutlich vor Augen geführt wird. Bis zu den Seitengängen werden wir also gar nicht kommen. Schon nach kurzer Zeit verlangt Desmond, selbst in den Sattel zu steigen. Sein Mitarbeitergespräch mit Amor verläuft kurz und schmerzlos, aber sehr deutlich - jedoch in keinem Fall mit dem zu vergleichen, das nach meinem Sturz im letzten Kurs stattfand! Für mich und die Zuschauer, die uns schon kennen, unproblematisch. Es kommt jedoch, wie ich in der Mittagspause erfahre, zu deutlichen Verstimmungen bei den Zuschauern, die Amor und mich eben noch nicht kennen: Desmond packt mehrmals eben deutlich zu, gibt deutliche Paraden. Hiernach steige ich wieder in den Sattel und gebe, mit neuem Mut, mein Bestes und greife selbst etwas fester zu und gebe sofort deutlich nach. Zwischendurch wird Amor deutlich leichter, gibt hin und wieder einmal kurz nach. Ein neuer Anfang.

Nach der Mittagspause bittet mich Desmond vor der nächsten Einheit kurz zu sich, um den teilweise empörten Zuschauern seine deutliche Handhabung zu erklären. Tatsächlich waren die Verstimmungen so groß, daß von einigen anscheinend schon darüber nachgedacht wurde, den Kurs zu verlassen. Jedenfalls können wir mit Hinweis auf Amors deutliche Mosrigkeit, seinen Unwillen zur Mitarbeit, meinen Sturz im letzten Kurs und eben der Tatsache, daß wir bei ihm vom Gröberen zum Feineren hinarbeiten müssen, die Situation klarstellen.

Am Mittag bin ich die dritte Reiterin. Beim Warmreiten ist alles noch in Ordnung. Doch sobald die vorherige Reiterin mit ihrem Pferd die Halle verläßt, wird Amor unwillig: er schreit, macht sich steif und zeigt deutlich seinen Unwillen. Unwillkürlich kommen natürlich die Erinnerungen an den heftigen Sturz im letzten Kurs in mir hoch und ich kneife vor lauter Adrenalin den Allerwertesten zusammen, habe Angst. Desmond ist erst einmal damit beschäftigt, mich zu beruhigen. Doch trotz seiner Hilfestellung mit vielen schnellen Anweisungen und Bahnfiguren nacheinander kann ich mich nur schwer auf's Fühlen konzentrieren. Wir arbeiten weiter an der Anlehnung und Amors Nachgeben, jedoch kommt mir die zweite Einheit wie verloren vor. Ich bin froh, als ich ohne Sturz absteige und führe Amor noch einige Runden in der Halle trocken.

Am Abend versammeln wir uns nach den Reiteinheiten zum Abendessen in der Gaststätte und diskutieren über diverse Themen. Sehr gut bleibt mir Desmonds Aussage im Kopf: "Reite so wie Du lebst." Toll: ich arbeite in der Rechtsabteilung einer Bank, bin dort sehr dominant und bestimmend, was der Job ja auch mit sich bringt, bin das eigentlich auch im Privatleben, gebe nur ungern etwas aus der Hand und lasse Amor aber ständig alles durchgehen. Wo könnten wir ausbildungsmäßig sein, wenn ich mich hier mehr wie im Berufsleben durchsetzen würde...? Um 22.00 Uhr streiche ich die Segel und verkrieche mich ins Bett.

Am nächsten Morgen sind wir wieder als drittes Reiterpaar dran. Wie am Tag zuvor ist Amor äußerst motzig, als das vorherige Paar die Halle verläßt. Zwischenzeitlich reagiert er auch schon nur noch darauf, sobald ein Zuschauer durch das zur Seite zu schiebende Hallentor geht. Ich werde langsam sauer, da man so ja nicht mit ihm arbeiten kann, ich schließlich eine Menge Geld bezahle und denke an den Abdecker, der Amor das Bolzenschußgerät an den Kopf setzt. Mit einem "Peng!" sackt er in sich zusammen. Punkt. Ich habe den Eindruck, daß sich dieses Bild in meinem Kopf auf Amor überträgt und die Einheit kann trotzdem einigermaßen erfolgsversprechend zu Ende geritten werden. Immer wieder gelingt es Desmond, mir das Gefühl für Amor so nahe zu bringen, daß er sich für ein, zwei Schritte mal selbst trägt und leicht in der Hand wird.

Für den Nachmittag tausche ich mit Heike eine Einheit, damit ich als erste reiten kann. Ich verlasse das Mittagessen sehr zeitig, um mit Amor in Ruhe in der Halle einige Kreise zu ziehen. Wir machen Abkauübungen vom Sattel aus und es gelingt mir, daß er nun bei leichtem Klingeln am Zügel sofort anfängt zu kauen und dann sogar nachgibt. In dieser Einheit nimmt Desmond auch den Galopp dazu, bei dem mir Amor zwar allzu häufig über die rechte Schulter nach innen fällt, ich ihn jedoch einmal sogar "am Sitz" habe. Aha, so fühlt sich das an! Toll! Desmond möchte gerne eine konstante Anlehnung herbeiführen, was uns in dieser Einheit jedoch nicht mehr gelingt. Ich habe jedoch meine deutlichen Anweisungen von Desmond für die nächsten Monate und bin wieder motiviert, daran weiterzuarbeiten.

Am Nachmittag kommt noch, bevor der Kurs insgesamt zu Ende ist, mein Mann und holt uns schon ab. Nach zwei Tagen in einer relativ kalten Reithalle bin ich jedoch sehr froh, frühzeitig nach Hause aufbrechen zu können. Ich bedanke mich nochmals bei Desmond, der mir aufgibt, endlich mehr von Amor zu verlangen und mich durchzusetzen. Ich darf auf keinen Fall zu nett zu ihm sein. Puh!

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