Freitag spätnachmittags laden wir mein Pony in den Hänger und los geht's in Richtung Baiersbronn. Da wir erst um 17.15 Uhr loskommen, ist es ratzfatz dunkel. Aber die Fahrt verläuft gut, wenn Gerret auch nach Verlassen der Autobahn auf die B462 (Schwarzwaldtalstraße) die Vermutung äußert, daß Amor bestimmt schlecht wird bei der ganzen Kurverei. Aber der mümmelt sein Heu, hat auch sein vom Tierarzt für Streßsituationen empfohlenes Kräuterlikörchen intus. Um 19.15 Uhr kommen wir beim Blauen Reiter in Baiersbronn an und lernen gleich Elke kennen, die den Hof mit ihrem Mann zusammen betreibt. Mein Pony bezieht einen gigantischen Offenstallplatz, in dem schon Heu wartet. Wir verstauen das Sattelzeug, besichtigen noch kurz den restlichen Stall und die Pferde und die tolle, kleine aber sehr feine Halle (der Terratex-Boden ist sensationell!!!). Dann geht's schnell zum Hotel, wir essen noch eine Kleinigkeit, Gerret verabschiedet sich und ich lege mich in's Bett und gucke Fußball, wobei ich mich hin und wieder tierisch aufregen muß.

Am Samstag morgen werde ich im Hotel abgeholt. Als ich Amor putze, kommt DOB hinzu. Das gibt mir gleich die Gelegenheit, ihn ausführlich über unsere derzeitige Situation zu instruieren, ihm über die letzten Monate und meine Angst zu erzählen und meine Vorgabe für den Kurs zu skizzieren: einen angstfreien Kurs, Galopp nur, wenn ich mich sicher fühle.


1. Einheit:

Wir sind die Ersten, die am Morgen reiten. DOB erklärt mir, daß ich immer dann am besten auf's Pferd einwirken und damit meiner Angst, die sich hauptsächlich auf die Power bezieht, die mein Pony entwickeln könnte, begegnen kann, wenn ich genau weiß, was da unter mir geschieht. Ich nehme ihn gleich beim Wort und beichte, daß ich zwar im im Schritt die Fußfolge klar hinbekomme, mich im Trab aber sehr schwer tue zu erkennen, auf welchem Fuß ich denn nun leichttrabe. Vom Galopp ganz zu schweigen. Das ist unsere Aufgabe für die erste Einheit: fühlen, erkennen, das Gefühl abspeichern. Ich trabe immer wieder an und versuche einen Unterschied zu fühlen, ob ich nun auf dem inneren oder äußeren Hinterfuß leichttrabe. Anfangs kann ich gar keinen Unterschied feststellen. Dann bemerke ich plötzlich, daß wie im Schritt auch im Trab jeder Schenkel kurz an den Pferdebauch "gesogen" wird. Welch Erkenntnis nach 20 Jahren im Sattel... 

 

DOB erklärt mir, daß das wie im Schritt passiert, allerdings im Trab die Bauchweg-Bewegung des Pferdes natürlich 1. schneller und 2. nicht so ausgeprägt wie im Schritt ist. Letzten Endes bekomme ich es sogar hin, anzutraben, leichtzutraben, sofort zu merken, daß das der falsche Hinterfuß ist, auf dem ich trabe und umzusitzen. Und zwar ohne runterzugucken. Ziel der ersten Einheit voll erreicht! *freu* Das muß ich natürlich weiter ausbauen.

Nebenbei: Amor war sehr ruhig, angenehm, hat mitgearbeitet und ich hatte keinerlei Angst. 



2. Einheit:

Nach dem Mittagessen sind wir wieder die Ersten. Das Augenmerk dieser Einheit liegt darauf, wie man Wendungen reitet. Und zwar richtig reitet und sich nicht nur spazierentragen läßt. Jede Hallenecke ist eine Wendung, nicht nur eine Volte oder ein Zirkel. Auch jedes durch die ganze Bahn Wechseln beinhaltet kleine Wendungen. Die soll ich richtig vorbereiten und reiten, auf Stellung achten, außen den Zügel dann auch entsprechend nachgeben. So kreiseln wir im Schritt und Trab durch die Halle. Amor macht suuuper mit, ist überhaupt nicht motzig, stellt sich schön. Ich fühle mich so gut und sicher, daß ich schon überlege, ob ich mal den Galopp mit ins Spiel bringe, lasse es für heute aber gut sein. Irgendwie traue ich mir da selbst nicht so ganz.

Anschließend auch ein tolles Lob von DOB: er wisse ja nicht, was ich da so mit Amor gemacht hätte, aber so irrsinnig motiviert, mit klaren Augen und wachem Gesicht, ganz ohne Mißmut hätte er ihn ja noch nie erlebt. Das solle ich auf alle Fälle so weitermachen. Ich bin ganz seelig.


Nachdem der letzte Reiter fertig ist, gibt's noch ein bissele Theorie im mollig-warmen Reiterstübchen. Dort erfahre ich endlich mal, was es mit dem Buchstabensalat M, B, F, A, K, E, H, C auf sich hat: angeblich waren das die Anfangsbuchstaben der Pferdnamen irgendeines Königs. Außerdem kann man sich das gut merken: Mein Bester Freund Alfred Kann Einen Heben - Cäsar. Ich mache daraus: Mein Bestes Färd Amor Kann Eine Halbe Courbette. 



Abends sind wir bei Elke und ihrem Mann zum Essen eingeladen und sitzen noch lange gemütlich beisammen und quasseln. Leider sitze ich eine zeitlang vor dem offenen Fenster, was ich nachts büße: mein Schultergürtel und vor allem die Schlüsselbeine tun mir nachts im Bett irrsinnig weh. So weh, daß mir, als ich nachts mal auf die Toilette gehe, im Magen richtig irre schlecht wird und mir hierauf sogar der Kreislauf weggeht. Beinahe wäre ich im Bad umgekippt. Ich hoffe, daß das bis zum nächsten Morgen besser wird. Da fühle ich mich im Schultergürtel zwar noch ein bissele steif, taue beim Frühstück aber vollends auf. Dann geht's wieder zum Stall. Es hat kalte -2°. *brrrr* Ich miste erst mal Amor, um ein bissele warm zu werden. Wir sind heute erst als Dritte dran. Bis ich im Sattel sitze, sind die Schulterschmerzen zum Glück vergessen.


3. Einheit

DOB öffnet die Hallentür und wir treten ein. Renate ist mit Gitana noch beim Abreiten. Ich wappne mich ein bissele vor dem, was da vielleicht kommen könnte, habe aber keine Angst und steige auf. Ich denke an Marions Hinweis, daß ich auf seinen Hinterbeinen sitzen soll, dann passiert nix. Gut. Mache ich. Renate verläßt mit Gitana die Halle und Amor spitzt sofort die Ohren, wird schneller und will mit zur Halle raus. Sein Protest ist aber nur halblebig, weil ich ihn sofort beschäftige, Stellung und Biegung verlange, Kurven reite. Ich achte sehr darauf, daß immer mindestens ein Ohr bei mir ist. DOB unterstütz mich, und tatsächlich: nach nicht einmal 2 Minuten habe ich wieder ein voll aufmerksames Pferd.

Wir traben und üben nochmals das Durchreiten von Wendungen. Ich fühle mich so gut, daß ich DOB gleich sage, daß wir heute auch mal galoppieren werden. Nebenbei: das hat Amor für ein paar Sprünge schon hinter Gitana her getan, und es fühlte sich trotzdem gut an.

DOB stellt uns immer wieder folgende Aufgabe: ich soll bestimmen, wo's langgeht. Amor hat ja gerne die Tendenz zu DOB hinzurennen, weil der ihm dann immer schier um den Hals fällt, ihn lobt und Amor dann kurz Ruhe hat. Vor allem soll ich auch das Steuer in der Hand behalten, wenn DOB stimmlich was anderes verlangt. Also sollen wir auf dem Zirkel galoppieren, DOB gibt stimmlich das Kommando zu Trab, ich soll aber weitergalöppeln. Das erste Mal habe ich Schwierigkeiten und überlege, wie ich das besser hinkriege. Da besinne ich mich auf meine inneren Bilder und stelle mir vor, wie ich mit Amor eine irre lange Wiese entlanggaloppiere. DOB steht in der Mitte und sagt: "Traaaab." oder "Brrrrrrr." oder schnauft ab. Wir galoppieren. 



4. Einheit:

Zwischenzeitlich ist Gerret angekommen. Wir sind nach dem Mittagessen wieder die ersten, die starten. Ich bin mit Gerret schon in der Halle und reite Amor mit Schenkelweichen und Seitengängen warm. Das greift DOB gleich auf, als er hinzukommt: ob ich Schenkelweichen denn auch mit Stellung reiten könne? Ja klar. Das bekommen wir natürlich noch nicht sonderlich ausdrucksstark hin, aber der Weg ist richtig.

SH ist kein Problem. Dann verlangt DOB Travers und zwar aus einer Kehrtvolte heraus. Und ich kriege einen Knoten im Hirn. Ich kann zwar Travers von der Viertellinie zum Hufschlag reiten, wobei ich das Pferd ja erst umstellen muß, habe aber Schwierigkeiten, den Travers aus der Kehrtvolte heraus zu reiten, was ja eigentlich einfacher ist. Wir kommen schließlich dem Phänomen auf die Spur: ich war immer der Meinung, mein Pferd sei im Travers vorne gerade gestellt. Ist es ja aber nicht. Außerdem drehte ich mich im Travers immer viel zuviel mit. Ich soll, reite ich Travers auf dem Hufschlag an der Bande entlang, eher auf die Bande gucken. Dann bin ich allerdings völlig überfordert: es gibt halbe und ganze Traversalen, in Deutschland meint man dies, in Österreich jenes damit. Da komme ich nicht mehr mit. DOB versucht es mir zwar noch ein paarmal zu erklären, aber mein Hirn schaltet aus.

Also versuchen wir uns lieber nochmals am Galopp. Ich bekomme die gleiche Aufgabenstellung wie am Vormittag. Und dann kommt mein persönliches Highlight des Kurses:

Wir galoppieren gerade auf dem Zirkel linke Hand, als Amor kurz vor X losbuckelt und nach rechts wegbricht. Ich hab keine Angst. Ich bleibe auch total emotionslos. Ich pariere mein Pferdchen durch, lenke ihn wieder linksrum auf den Hufschlag. Und galoppiere wieder kommentarlos an. Bei C pariere ich durch. Punkt. Da kriegt's Pferd einen Keks. DOB ist sehr, sehr zufrieden. Ich auch. Weder bin ich zornig geworden, noch hatte ich Angst. So muß es sein. Ich fühlte mich total souverän. 


Wir arbeiten noch ein wenig am Galopp weiter, und einmal lasse ich Amor auf der langen Seite richtig gut zulegen. Das fühlt sich toll an. DOB meint dazu: "Zuerst will sie nicht galoppieren und dann kann sie nicht mehr aufhören." 



Fazit: DOB hat sich super auf uns eingestellt und uns so einen sehr angenehmen und erfolgreichen Kurs beschert. Er hat mir genau das gegeben, was ich gebraucht habe. Amor hat so toll mitgearbeitet, hat mir durch seinen einen Aussetzer aber auch die Möglichkeit gegeben zu erkennen, daß ich cool bleiben und ihn regulieren kann.

Ich denke, wir sind nun wirklich überm Berg und können da weitermachen, wo wir vor ettlichen Monat den Faden verloren hatten. DOB hat mir als Hausaufgabe bis zum März nächsten Jahres den Travers und die Traversale aufgegeben. Außerdem will ich weitermachen beim Spüren der Fußfolgen.

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