Mein erster Dressurlehrgang bei Desmond O'Brien in Ober-Ostern.

 

Gerret war so nett, Amor und mich nach Ober-Ostern zu fahren. Dort bezog Amor eine Box, in der jedoch zunächst noch einige Nägel beseitigt werden mußten. Dann wurde die Ferienwohnung bezogen, die wir uns zu mehreren teilten, und nachdem alle anderen da waren, gemütlich zu Abend gegessen. Ich erinnere mich noch undeutlich an irgendwelch lecker-süßen Wein... 

Am nächsten Montagmorgen sollte ich als zweite dransein. Bis zu diesem Zeitpunkt sah ich das alles recht relaxed. Dann saß aber doch auf einmal das vermeindlich zu Hause gebliebene Teufelchen auf meiner Schulter und flüsterte mir scheußliche Dinge zu: "Du reitest vor Publikum, das wird Dich alle machen, die werden das schrecklich finden, Amor buckelt bestimmt, Du wirst runtersegeln, ..." Usw. usf. *schluck*

Am Anfang unserer ersten Einheit fragte Desmond kurz wer, wo, was. Also habe ich erzählt, daß wir lange Jahre nur im Gelände umeinanderjuckelten, bis Herr Pferd ganz steif war. Nun arbeiten wir seit einiger Zeit an den ersten drei Punkten der Ausbildungsskala. Gut. Los gings. Besagtes Teufelchen auf meiner Schulter lamentierte munter weiter.

 

DOB erklärte mir, dass der Reiter, wenn er den Kopf nicht frei hat, das Pferd mit Bildern "bombardiere", mit denen das Pferd nichts anfangen kann. Von diesen Bildern müsse man sich vor dem Reiten freimachen, sonst überfordere man das Pferd unnötig. Armer Amor - ich will gar nicht wissen, was er da für Bilder sah; vermutlich sah er mich und ihn auf einem Grillspieß und wir wurden vom Publikum geröstet... Dementsprechend kurvten wir auch zunächst recht konfus, ziellos und lahm durch die Halle. Und dürften nach einer Runde gleich wieder anhalten: "Läuft der immer dieses Tempo?" "Ähm, jaaaa." Ich bekam also eine Gerte in die Hand und sollte Amor damit direkt hinter dem inneren Schenkel "witschen", also immer ganz leicht und ruhig nerven. Herr Pferd lief damit schon besser. Das machten wir dann so lange, bis Amor in den Trab fiel. "Braaaav!" schallte es neben diversen anderen Geräuschen vom "Quietsch" bis "Miau" aus der Zirkelmitte. Das wurde dann weiter geübt, bis Amor von allein in den Galopp fiel.

Und da war es: mein Problem, der Linksgalopp. Den wollte ich im Kurs eigentlich gar nicht abhandeln, weil mir das Thema schon sooooo zum Hals raushängt. Desmond erkannte aber doch gleich, worum es geht. Ohne ein Wort stellte er sich sofort darauf ein. Nachdem Amor durch das Gertentouchieren einige Male - hin und wieder sogar mal richtig - angesprungen war, war die Einheit, die so schrecklich nervös und hibbelig und konfus begonnen hatte, beendet.

Mittags in der zweiten Einheit hatte ich sogleich die Gerte parat ... und Amor lief wie am Schnürchen. Mmmh, daß ich da nach erst acht Jahren draufgekommen bin...? Es ging dann auch gleich ohne weiteres im Galopp weiter. Und plötzlich: mein bestes Pferd von allen entwickelte irgendwie ein Bergauf! Das, was ich in den letzten drei Jahren nur ein- oder zweimal von ihm gezeigt bekam, bot er plötzlich ständig an! Einmal kam es mir sogar so vor, als ob wir fast auf der Stelle galoppierten, ganz weich, ganz sacht, einfach herrlich.

Es war auch in dieser Einheit, daß Desmond sich selbst auf Amor setzte, um mal nachzuprüfen, wo denn genau mein Problem liegt. Er hatte dabei allerdings schon ein bissele Probleme mit unseren Split-Reins. 
Und Amor buckelte auch einmal kurz. Dann dürfte ich wieder aufsitzen und Desmond erklärte mir folgendes: mein Linksgalopp-Problem resultiere daraus, daß ich zwar immer schön mit in die Linkskurve mitgehe, dabei aber meine rechte Hüfte vorbringe und damit das Pferd störe bzw. diesem mitteilte: Rechtsgalopp. Ich sollte Amor am Anfang nun lieber noch nach Außen stellen, mich zwar links hinsetzen, aber mit dem Kopf auf Amors rechtes Ohr schauen. Als ich die Halle nach dieser Einheit verließ, hatte ich schon ein treuseeliges Grinsen im Gesicht.

Am nächsten Morgen war es ähnlich, jedoch konnte ich zu jeder vorhergehenden Einheit eine kleine Verbesserung erkennen. Amor war wacher, motivierter, wollte von selbst galöppeln, was ich sonst gar nicht von ihm kenne. Außerdem "zündete" er am Schenkel - etwas, was meine Reitlehrerin zu Hause immer bei uns vermißt hat. In diesem Zusammenhang ist mir vor allem aufgefallen, daß es doch vielleicht nicht nur mein "faules" Pferd war, sondern Amor vielmehr mich einfach wiederspiegelte: Tanja, das stinkfaule Weib, das alles ökonomisch so erarbeitet, daß es die wenigste Kraft und Anstrengung kostet.

Und - by the way: als das Teufelchen morgens wieder anfangen wollte, hab ich's einfach in der hinteren Hallenecke in den Sand geschmissen.


In der letzten Einheit konnten wir schon kleine Galoppvolten gehen und Desmond ging etwas mehr dazu über, mir zu verdolmetschen, wie ich Amor in die Anlehnung geritten bekomme. Das hat zwar nur gar nicht bis minimal funktioniert, aber ich hatte einen Ansatz. Im Galopp genoß ich nur noch das tolle Gefühl, das mir Amor da schenkte. Aber nur genießen war auch nicht: ich sollte ständig die Zügel aufnehmen, wieder ganz lang lassen, aufnehmen, wieder gaaaanz lang lassen. Mit Split-Reins etwas umständlich.

Nach der letzten von vier Einheiten hatte sich das treuseelige Grinsen noch verstärkt und ich war so glücklich, daß ich, als ich Amor in seine Box gebracht hatte, einige Tränen verdrücken mußte.

Mein Fazit: mir hat der Kurs gezeigt, daß Reiten, um es mal salopp auszudrücken, sehr einfach sein kann, wenn man den richtigen Dolmetscher zur Verfügung hat. Desmond konnte sich auf die am Kurs absolut verschiedensten Rassen und Charaktere der Pferde wie auch der Reiter und ihre verschiedenen Ausbildungsstufen jeweils umgehend einstellen und Verbesserungen erarbeiten. Daß bei Amor und mir der Knoten zwecks Linksgalopp einmal so platzen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten - schon gar nicht bei jemandem, der uns gar nicht kennt. Oder evtl. gerade deshalb? Nun heißt es vor allem zu Hause dranbleiben.

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