Rückansicht des Stalles, Blick auf Weide Nr. 1
Rückansicht des Stalles, Blick auf Weide Nr. 1

Gelungenes Weidemanagement - wie geht das? 

 

Die meisten Pferdeställe haben im dicht besiedelten Deutschland mit einem großen Problem zu kämpfen: zu wenig Weideflächen. Das geht auch uns so. 

 

Zu unserem Offenstall gehört zwischenzeitlich eine Grasfläche von knapp 1 ha. Wichtig bei dieser begrenzten Fläche ist ein gutes Management von Besatz (zeitlich begrenzter Zugang der Pferde zu den Weiden) und Weidepflege. Das kann man erst dann etwas vernachlässigen, wenn man pro Pferd mindestens 1 ha Weide zur Verfügung und einen guten, gepflegten Bestand an Gräsern hat. Dennoch gibt es grundlegende Punkte, die man - auch z. B. im Sinne des Naturschutzes - berücksichtigen sollte. 

 

Wir haben unsere Fläche in fünf sogenannte Umtriebsweiden aufgeteilt. Umtriebsweiden haben den Vorteil, daß sich bereits abgefressene Weidestücke mehrere Wochen erholen können, nachdem die Pferde auf das nächste Teilstück getrieben wurden. Es ist eine mehrmalige Nutzung im Jahr möglich. Darüber hinaus sind die einzelnen Weidestücke bei uns gut vom Trailweg aus zu erreichen, die Pferde haben längere Laufstrecken. 

 

Eine weitere Form der Weidehaltung wäre die Standweide, zu der die Pferde ganzjährig immer Zugang haben oder der Zugang zum Gras auf dieser durch tägliches/wöchentliches Weiterstecken eines Zaunes limitiert wird. Sofern man nicht wirklich ausreichende Flächen zur Verfügung hat, halte ich von dieser Art des Weidegangs nichts, denn immer zugängliche Flächen werden so übermäßig beweidet, was erhöhten Vertritt und Verbiß bedeutet. Zudem zupfen Pferde gerne am ohnehin schon kurz gefressenen Gras herum, weil dieses immer süßlicher schmeckt als längeres, ausgewachsenes Gras. Das hängt mit dem im Gras vorhandenen Fruktan zusammen. Hier besteht sodann auch erhöhte Rehegefahr. Ein ohnehin bereits rehegefährdetes Pferd auf kurzgefressene Weiden zu stellen mit der Meinung, "da sei ja ohnehin nichts mehr drauf", ist daher falsch und fahrlässig!

 

Die Weide wird bei uns gewechselt, sobald ein Teilstück zu gut 2/3 heruntergefressen ist. Dadurch vermeiden wir zu hohen Vertritt und Verbiß. Leider kann man einem Stück Grasland nämlich im Prinzip nichts schlimmeres antun, als solch wählerische und bewegungsfreudige Tiere wie Pferde darauf zu stellen. Werden Vertritt und Verbiß zu hoch, nimmt die Grasnarbe Schaden. Es entstehen lückige Stellen, wo sich gerne Unkräuter (Stichwort: Ampfer) oder Ungräser ansammeln.  Überprüfen kann man dies mit dem Aulendorfer Lückentest: entsprechen die Lücken oder der Anteil wertloser Arten in einem Quadrat mit 40 cm Seitenlänge einer Handfläche, so entspricht dies einem Reparaturbedarf von 15 %, zwei Handflächen 30 % usw. Hier besteht dringender Handlungsbedarf! Es sollte bestenfalls immer eine geschlossene Grasnarbe vorhanden sein. 

Treckerfaaahrn...! ;-) Man sieht den damals noch sehr hohen Anteil an Hahnenfuß.
Treckerfaaahrn...! ;-) Man sieht den damals noch sehr hohen Anteil an Hahnenfuß.

Unsere Pferde kommen meist von Mai bis September täglich bis zu 12 Stunden auf unsere Weiden. Das hängt vom Wetter und vom Bewuchs ab. Weide Nr. 4 ist unsere sogenannte Winterweide. Sie liegt am höchsten Punkt und ist dadurch am trockensten. Aus diesem Grunde lassen wir die Pferde gerne auch einmal bei guten Bodenverhältnissen im späten Herbst oder im Winter auf diese Weide, damit sie etwas herumtollen können. Das merkt man dieser Weide aber immer an: sie ist wesentlich langsamer im Aufwuchs und hat einen deutlich höheren Kräuteranteil, weshalb wir sie besonders hinsichtlich Nachsaat und Düngung pflegen müssen. Viele Kräuter bedeuten nicht gleichzeitig eine gesunde Pferdeweide. Die Futtergrundlage einer Pferdeweide ist immer Gras. Der Bestand sollte zu 80 % aus Gräsern, zu 10 % aus Kräutern und zu 10 % aus Leguminosen, also Klee bestehen. 

 

Jede zum Großteil abgefressene Weide wird hiernach bei uns gemäht bzw. gemulcht (das zerhächselte Gras wird als sich zersetzender Dünger liegen gelassen). Pferde fressen am liebsten nur das, was ihnen schmeckt. Ungräser/Unkräuter bleiben stehen. Würde man diese nicht nachmähen, vermehren sie sich, das gern gefressene Gras wird zurückgedrängt.

 

Wie beim Menschen aber auch ist nicht immer nur das gesund, was den Pferden am besten schmeckt! Um hier einen genauen Überblick zu bekommen, haben wir beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg am mehrtägigen Lehrgang "Weidemanagement für Pferdehalter" teilgenommen. Hier lernten wir alles mögliche über gute Pferdeweiden, Gräser  und Ungräser, Kräuter und Unkräuter, Gräserbestimmung im frischen und geernteten Zustand, Düngung, Nachsaat, Zaunbau, etc. Außerdem standen seither Seminare bei Renate U. Vanselow und Silke Dehne auf dem Programm. Anschließend verbrachten wir mit Gräserbestimmungsschlüsseln und Pflanzenbüchern viel Zeit auf unseren Weiden, um herauszufinden, was denn dort nun eigentlich genau wächst. Und auch heute prüfen wir immer wieder, welchen Bestand wir auf den Weiden haben. In Zeiten des Internets ist das auch recht schnell mit diversen Apps möglich; ich nutze z. B. gerne jene von plantnet.org. Auf dieser Grundlage erfolgt im Frühjahr sodann unsere jährliche Nachsaat, meistens weidelgrasarme Mischungen mit Rohrschwingel, Wiesenlieschgras, Wiesenschwingel und -rispe und Rotschwingel.

 

Das Weidelgras, eine Grassorte, die eigentlich für gehaltvolle Milchkuhweiden entwickelt wurde, kann auch auf Pferdeweiden bis zu einem gewissen Anteil notwendig sein, weil es schnell eine dichte Grasnarbe bildet und Verbiß in relativ hohem Maße erduldet. Aber: es ist kein für Pferde bekömmliches Gras, es macht schnell dick, wenig satt und enthält hohe Fruktanwerte. Wenn man sich wundert, warum Pferde auf einer Weide dick werden, auf einer anderen aber nicht, kann das mit an den dort vorhandenen Grassorten liegen. Wir haben bei uns einen so guten Bestand auf den Weiden, daß wir selbst leichtfuttrigen Rassen wie Haflinger oder Noriker ganztägigen Weidegang anbieten können. 

Weide Nr. 4, unsere Winterweide - immer etwas rückständig im Aufwuchs
Weide Nr. 4, unsere Winterweide - immer etwas rückständig im Aufwuchs

Am besten ist es natürlich, wenn eine - artenreiche und für Pferde gesunde - Weide sich selbst nachsät. Das kann man dadurch erreichen, wenn die Nutzung erst nach der Blüte und dem Aussamen der Gräser aufgenommen wird. Dies ist meistens Anfang bis Mitte Juni der Fall. Wir lösen das Problem mit einem somit eigentlich erst sehr späten Weideauftrieb dadurch, daß wir jedes Jahr mit der Beweidung auf einer anderen unserer fünf zur Verfügung stehenden Umtriebsweiden beginnen. So ist nur eines unserer fünf Weidestücke von der selbständigen Nachsaat einmal in fünf Jahren ausgenommen.

 

Ein weiterer Tipp: der beim Säubern eines Heulagers übrig bleibende vermeintliche "Staub" besteht zu großen Teilen auch aus Grassamen! Ich sammle diesen immer in einem Eimer und streue ihn anschließend auf unsere Weiden (wobei man den Bestand des Heus kennen sollte, damit man sich keine unerwünschten Pflanzen auf die Weide holt). ;-) 

 

Aus dem Bestand einer jeden Weide lassen sich Schlüsse auf deren Standort und die Nutzung ziehen. Es gibt viele sog. Zeigerpflanzen, die uns aufzeigen, wie der Bestand verbessert werden kann. Ein gerne auf Pferdeweiden zu sehendes Unkraut ist z. B. der scharfe Hahnenfuß, den auch wir verbreitet auf unseren Weiden hatten. Der Hahnenfuß ist eine Zeigerpflanze für Bodenverdichtung und Staunässe - dort fühlt er sich wohl. Staunässe werden wir - z. B. durch Anlage einer teuren Drainage um die Weiden herum - kaum beheben können, aber die Bodenverdichtung können wir durch überlegten Weidegang bei weitgehend trockenem Wetter, frühzeitigen Umtrieb der Pferde auf die nächste Weide und weniges Befahren mit schweren Maschinen vermeiden. So können wir dieses eigentlich giftige, von Pferden jedoch nicht gefressene Unkraut, einigermaßen in Schach halten und zwischenzeitlich auch zurückdrängen. 

 

Ebenso ist häufig der krause oder stumpfblättrige Ampfer anzutreffen (wird oft fälschlicherweise als "Sauerampfer" bezeichnet, was allerdings ein schmackhaftes Gartengemüse ist). Der Ampfer ist ein Platzräuber und macht sich gerne in lückigem Bestand breit. Dort verdrängt er dann peu à peu die gewünschten Gräser. Ab wann sollte man Ampfer bekämpfen? Ab der ersten Pflanze! Eine Ampferpflanze kann bis zu mehrere 10.000 Samen abgeben, die eine sehr hohe Keimgeschwindigkeit haben - und bis zu 80 Jahre lang keimfähig bleiben! Als wir unsere Weiden übernommen haben, hatten wir ein wahres Ampfer-Eldorado. Durch sukzessives Ausstechen mit einem speziellen Ampfer-Stecher sind wir diesem Unkraut zu Leibe gerückt und haben heute nur noch sehr wenige Pflanzen, die wir aber auch immer wieder regelmäßig angehen.

 

Weitere Zeigerpflanzen sind z. B. Weißklee und Gänseblümchen (stehen jeweils für Überbeweidung) oder Disteln und Rotklee (stehen für Unterbeweidung). Jede Pflanze kann uns daher zeigen, wie wir mit unserer Weide umzugehen haben: was mag die (un)erwünschte Pflanze, was mag sie nicht? Muß ich den Besatz erhöhen, ihn reduzieren, muß ich mehr mähen, weniger mähen, etc.? Auf den Seiten von www.gruenland-online.de gibt es viele weitere Infos hierzu.

 

Stichwort Giftpflanzen: Unsere Weiden sind weitgehend giftpflanzenfrei. Wir haben einen geringen Bestand an Hahnenfuß und Gundermann. Hin und wieder taucht ein einzelnes Jakobskreuzkraut auf, das wir frühzeitig ausstechen und im Restmüll (!!! keinesfalls auf den Misthaufen !!!) entsorgen (s. auch www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/ackerbau/gruenland/jakobskreuzkraut.htm). Jakobskreuzkraut ist für mich  ein absolutes No-Go und muß von Anfang an bekämpft werden. Dennoch ist ein gewisser Bestand an Giftpflanzen auf jeder Weide normal und tolerierbar. Auch diese Pflanzen gehören zur Flora und sind für Pferde  insoweit wichtig und richtig, als unsere Vierbeiner lernen können und müssen, was sie vertragen und was nicht. Gefährlich wird es immer erst dann, wenn die Futtergrundlage durch komplett abgefressene Weiden so sehr eingegrenzt ist, daß auch giftige Pflanzen nicht mehr verschmäht werden.

Blick über Weide Nr. 2, Ende Mai 2019
Blick über Weide Nr. 2, Ende Mai 2019

Pflanzen benötigen zum Wachsen nicht nur Sonne und Wasser, sondern auch Nährstoffe. Diese führt man in Form von Düngung zu. Zum Dünger zählen aber auch der Pferdeharn und - sofern man die Weiden nicht absammelt - der Pferdekot. Hierzu gibt es ausgeklügelte Berechnungsarten. 

 

Düngen sollte man eigentlich nur nach vorheriger Bodenprobe. Hierzu nimmt man an verschiedensten Stellen der Weide Bodenproben, vermischt diese, zieht hieraus eine 500g schwere Gesamtprobe und läßt sie von der zuständigen Landwirtschaftskammer (kostenpflichtig) analysieren. Mit dem Ergebnis   erhält man auch einen genauen Düngeplan.

 

Dünger und Nachsaat mischen wir meist (dann ist der leichte Grassamen "griffiger") und bringen diese im Frühjahr nach ausreichenden Sonnenstunden vor angesagtem feuchten Wetter per Handaussaat aus. Wenn man das ein paarmal gemacht hat, funktioniert das sehr gut und ist zeitlich ohne Probleme zu bewältigen. Es ist allerdings wichtig, daß die Temperatursummen im Boden erreicht sind, denn nur dann kann der Dünger seine Wirkung erzielen. Ein Hilfsmodul zur Berechnung der Temperatursummen ist hier zu finden: https://www.isip.de/isip/servlet/isip-de/entscheidungshilfengruenland?fbclid=IwAR3jD3dZ6hbm9O5BH7WOlld77sIINuKzhHqCGUb1wGAs8tO2j57Xs0jOmsQ

 

Das tägliche Abmisten ist für uns Pflicht! So werden Geilstellen vermieden und die Parasitenbelastung der Weiden und somit auch der Pferde niedrig gehalten. Ein Absammeln kann erst ab einer Fläche von mind. 1 ha/Pferd entbehrlich werden. Wir entwurmen seit 2014 nur noch selektiv nach vorheriger Kotprobe. Durch unser sehr hygienisches Stall- und Weidemanagement mußten wir seither nur noch vereinzelt entwurmen. Das entlastet in erster Linie Pferd und Boden von chemischen Mitteln, schont langfristig den Geldbeutel und verhindert Resistenzen beim Pferd. 

 

Gelungene Weidepflege ist also kein Hexenwerk. Aber es ist ein auf Jahre angelegtes Projekt, das immer wieder angepaßt werden muß und unter Umständen viel Engagement, Zeit und Arbeit verlangt. Auch wir haben am Anfang aus Unwissenheit vieles falsch gemacht. Nie werde ich den Moment vergessen, nachdem ich mich etwas ausführlicher mit dem Thema befaßt hatte, wieder zum Stall kam und "plötzlich" alles voller Hahnenfuß war... ;-) Erst im Laufe der Zeit haben wir gelernt, nochmals hinzugelernt, manches überdacht. Unsere Weiden sind heute in einem sehr guten Zustand - trotzdem seit 2001 den ganzen Sommer über Pferde auf ihnen weiden. Und Weidegang ist in meinen Augen für jedes Pferd zwingend notwendig! Es gehört zum Wesen eines Pferdes, sich langsam fressend vorwärts zu bewegen. Und es ist unsere Aufgabe, ihnen eine pferdegerechte Futtergrundlage zu ermöglichen. 

Blick über unsere Weiden, Mai 2019.
Blick über unsere Weiden, Mai 2019.

Literaturtipps: 

  • Praxishandbuch Pferdeweide - Ingolf Bender
  • Die Pferdweide - Jutta von Grone
  • Artenvielfalt auf der Pferdweide - Renate U. Vanselow
  • Pferdeweide/Weidelandschaft - Renate U. Vanselow
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Gräserbestimmungsschlüssel
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